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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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Josey nahmen es mit ihrer Tanzkleidung sehr genau und sorgten dafür, dass der Rauch sämtliche böse Blicke von anderen Frauen, sämtliche neidischen Gedanken und schnippischen Bemerkungen aus den Stoffen und Perlen vertrieb. Und vielleicht auch ihre eigenen bösen Gedanken, denn man erzählte sich, wenn auch ohne eindeutige Beweise, dass ihre Ehemänner die Blicke schweifen ließen. Der kleine Wohnwagen mit seiner praktischen Einrichtung aus Einbauschränken und Klappbetten, feststellbaren Schubladen, verborgenen Stauräumen undeiner winzigen Toilette wurde perfekt aufgeräumt und hergerichtet. Wenn sie dann herauskamen, sicherte eine von ihnen die Tür von außen mit einem Vorhängeschloss und verstaute den Schlüssel in einer Feuerschlägertasche oder einer Messerscheide an ihrem Gürtel. Im perfekten Einklang zogen sie los, das Haar geflochten und mit Nerzpelzen verlängert und nur an den Schläfen ein wenig grau. Würdevoll, ja majestätisch schlossen sie sich dem Strom der Tänzer an. Ihre Hirschlederfransen schwangen mit traumwandlerischer Präzision im Takt. Jeder beobachtete sie und sah gespannt zu, ob der Trubel des Intertribal-Grand-Entry, bei dem einfach absolut jeder in die Arena ging, sie aus dem Konzept bringen würde. Kleine Jungs in halben Grass-Dance-Outfits machten die Bewegungen der Männer nach und rempelten Suzette und Josey an. Kleine Mädchen, die mit vor Konzentration glasigen Augen den Hopsern ihrer verehrten großen Schwestern folgten, stolperten ihnen vor die Füße. Suzette und Josey wankten keine Sekunde. Sie redeten miteinander und lachten, ohne je einen Takt auszulassen, zu dem immergleichen Pendeln der Fransen an ihren Ärmeln, Tüchern und Bändern.
    Zwei Häute pro Kleid, sagte Cappy. Und wahrscheinlich noch eine komplette Haut für all die Fransen. Wenn sie beide stürzen würden, würden sie sich so verheddern, dass sie nie wieder aufstehen.
    Auf, auf, ihr Zuschauer, ab in die Mitte!, rief Doe. Zeit für das Intertribal! Schwingt die Hufe, egal, wie ihr beschlagen seid – mit Stiefeln, Mokassins oder Hippiesandalen. Wie heißen die gleich? Birkenstocks, glaube ich. Eine Birkenstocksandale wurde gestern Nacht vor Randalls Zelt gefunden. Oooh, yeah. Howah!
    Doe zog Randall und seine Freunde ständig auf, weil sie den Mädchen nachstiegen.
    Fuck, sagte Randall hinter uns. So ’n paar Wichser sind gestern bei uns eingebrochen und haben eins von Dads Jagdgewehren geklaut.
    Und sonst nichts?, fragte Cappy. Er drehte sich nicht nach Randall um, sondern sah stirnrunzelnd den Tänzern zu.
    Nope, sagte Randall. Wen ich mit dem Ding erwische, der ist dran.
    Wie geht’s Doe damit?
    Er ist sauer, sagte Randall schulterzuckend, aber nicht so sauer. Er findet’s komisch, dass sie nur das eine Gewehr wollten. Haben vielleicht versucht, den Fernseher mitgehen zu lassen, und das Werkzeug ausgekippt. Idioten. Spuren gab es keine. Drogies vielleicht.
    Yeah, sagte Cappy.
    Yeah, sagte ich.
    Die Hunde haben entweder ihren Job nicht ernst genommen, oder sie kannten die Leute.
    Oder die haben sie mit Fleisch geködert, sagte Cappy.
    Randall schnaubte angewidert. War eh nicht sein Lieblingsgewehr. Sonst wär er echt angepisst gewesen.
    Dann ist ja gut, sagte ich.
    Ich fühlte mich so elend, dass ich am liebsten unter die Tribünen gekrochen wäre, um mich zwischen den Zigarettenkippen, labbrigen Snow-Cone-Bechern, zusammengerollten Windeln und braunen Kautabakflecken auf den Boden zu kauern.
    Von jetzt an müssen wir das Haus besser sichern, sagte Cappy.
    Ich geh heut nach Hause, sagte Randall. Ich schlaf mit der Schrotflinte auf dem Sofa, bis die Tür repariert ist.
    Blas dir nicht die Nüsse weg, sagte Cappy.
    Keine Sorge, meine bleiben dran, sagte Randall. Wenn die Schweine wiederkommen, wird’s ihnen leidtun.
    Du sagst es, Mann, sagte Cappy. Er klopfte seinem Bruder auf die Schulter, und wir schlenderten weiter. Wir umrundeten wieder und wieder die Arena. Nach einer Weile klopfte er auch mir auf die Schulter.
    Saubere Arbeit.
    Ich hasse mich dafür.
    Damit musst du wohl fertig werden, Bruder, sagte Cappy. Er wird es nie rausfinden, aber wenn er es wüsste, würde Doe dich verstehen.
    Okay, sagte ich. Aber wenn ich es tue, wenn ich es zu Ende bringe – das mach ich allein.
    Cappy seufzte.
    Hör zu, Cappy, sagte ich heiser, fast im Flüsterton. Ich nenne es jetzt mal beim Namen. Mord. Vielleicht ein gerechter Mord. Aber trotzdem. Das musste ich mir tausend Mal im Kopf vorsagen, bevor ich es

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