Das Haus des Windes
trugen unsere Tradition mit Würde, ohne unter ihrem Gewicht zusammenzubrechen. Randall wirkte im Vergleich ganz unbelastet, war aber mit so vielen Federn geschmückt, dass Cappy sagte, er sähe aus, als hätte er sich in einem Adlernest gewälzt. Er trug eine rote lange Unterhose mit je einer Lederschürze hinten und vorn.
Pass aber auf, dass dir dein Feigenblatt nicht verrutscht, sagte Cappy. Damit keiner sieht, dass es nichts zu verstecken gibt.
Halt’s Maul, Stummel, sagte Randall zu Cappy. Und du, Shrimpy, fang gar nicht erst an, sagte er zu mir.
Er hielt sich einen Spiegel vor und malte sich zwei senkrechte schwarze Streifen auf die Stirn bis zu den Brauen und dann die Wangen runter. Sofort verwandelten sich seine Augen in undurchdringliche Kriegeraugen. Er funkelte uns unter seinem Kopfputz mit den schwingenden Federn finster an.
Gib uns den Schmachtblick, sagte Cappy.
Das war er schon, sagte Randall. Pass mal auf, wie der wirkt.
Er ging raus in die Sonne und machte neben dem Verkaufsanhänger mit der Zuckerwatte ein paar Dehnübungen. Randall sagte immer, seine langen Unterhosen seien traditionell, aber Cappy und ich fanden, dass sie seinen ganzen Look kaputtmachten.
Ein Mädchen im ledernen Trägertop rückte ein Stück von ihren Freundinnen ab. Sie schlürfte Cola mit einem Strohhalm und sah ihm ganz verzückt dabei zu, wie er seine Moves einübte. Er legte einen Fuß auf die Anhängerkupplung und griff nach seinen Zehen, als wollte er seine Muskeln dehnen. Das wiederholte er zwei Mal, und beim dritten Mal ließ er einenfahren. Er versuchte locker den Abgang zu machen, als wäre nichts passiert. Das Mädchen musste so lachen, dass sie sich verschluckte und ihre Cola ausprustete.
Achte auf den Meister, sagte Cappy. Egal, was er macht, tu einfach das Gegenteil.
Angus’ Familie wuselte aus einem Auto und drum herum, also holten wir ihn und gingen Zack suchen. Als wir wieder zu viert waren, stellte sich heraus, dass wir Frybread brauchten. Wir holten welches und hatten uns damit gerade in den Schatten der Buden gestellt, als ein paar Mädchen aus der Schule zu uns kamen. Sie redeten immer erst mit Angus, dann mit Zack und mir und dann mit Cappy, ihrem eigentlichen Ziel. Die Mädchen in unserem Jahrgang hießen alle irgendwie so ähnlich wie Shawn, zum Beispiel Shawna, Dawna, Shawnee, Dawnali, Salana oder einfach Dawn oder Shawn. Eins der Mädchen hieß Margaret, nach ihrer Großmutter, die bei der Post arbeitete. Ich redete am meisten mit Margaret. Dawn, Shawn und so weiter hatten ihr Haar in Wellen zurückgelegt und steif gesprayt und trugen Lidschatten, Lipgloss, in jedem Ohr zwei Ohrringe, enge Jeans, kurze gestreifte T-Shirts und glänzende silberne Halsketten. Margaret ziehe ich bis heute damit auf, was sie an dem Tag anhatte – ich erinnere mich nämlich noch an jedes Detail bis hin zu dem Medaillon, in dem sie kein Bild von ihrem Liebsten aufbewahrte, sondern ein Foto von ihrem kleinen Bruder.
Cappys Technik, um die Mädels für sich zu begeistern, bestand darin, einfach Cappy zu sein. Er schmachtete nicht wie Randall und trug keine einzige Feder. Er hatte wie immer ein verwaschenes T-Shirt an. Sein Haar fiel ihm von allein über das eine Auge, und er gab sich keine Mühe, es hinters Ohr zu schieben, sondern machte diese Kopfbewegung. Ansonsten redete er einfach und bezog uns alle mit ein. Mir fiel auf, dass er den Mädchen fast solche Fragen stellte wie ein Lehrer. Was sie in den Ferien so machten und wie es ihren Familien ging. Es wurde einnettes, entspanntes Gespräch, und wir liefen zusammen einmal hinter den Buden um die Arena; die Mädchen erregten einiges Interesse, und wir interessierten uns für die interessierten Blicke. Wir liefen weiter. Die Mädchen holten sich Zuckerwatte. Sie rissen uns ein paar Streifen davon ab. Wir tranken Limo und versuchten die Dosen mit der Faust zu zerdrücken. Allmählich ging es los. Veteranen trugen die amerikanische Flagge in die Arena, die Flagge für die Kriegsvermissten und -gefangenen, unsere Stammesflagge und die traditionelle Standarte. Dahinter folgten die Vortänzer und dann alle Grand-Entry-Tänzer nach Kategorien gruppiert, bis runter zu den kleinsten. Wir stellten uns ganz oben auf die Tribünen, um alles sehen und hören zu können: die Trommeln, den anschwellenden Rhythmus der Glocken, Rasseln und Klappern und das Blitzen und Klingeln der Jingle-Tänzerinnen. Beim Grand Entry blieb mir immer die Luft weg, und meine Füße zuckten mit.
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