Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
Vom Netzwerk:
das kleinste bisschen?
    Sache? Welcher Sache?
    Er ist ermordet worden, Joe.
    Aber das Wort kannte ich schon. Ich hatte mich abgehärtet. Ich hatte es zu Cappy gesagt und in meinen Gedanken benutzt. Ich hatte mich darauf vorbereitet, diese Frage zu beantworten, und zwar so, wie der frühere Joe, der von vor diesem Sommer sie beantwortet hätte. Ich sprach mit einem kindischen, plötzlichen Aufruhr der Freude, der nicht einmal gespielt war.
    Tot? Ich hab ihm den Tod gewünscht, klar? Wenn er ermordet worden ist, macht mich das glücklich. Er hat es verdient. Mom ist wieder frei. Und du bist frei. Der das getan hat, hat einen Orden verdient.
    Schon gut, sagte mein Vater. Das reicht jetzt. Er stand auf. Meine Mutter ließ mich nicht aus den Augen. Sie war wild entschlossen,mir zu glauben. Aber plötzlich schauderte sie. Ein Zittern durchlief ihren Körper. Die Erschütterung war so stark, dass sie auch mich erfasste.
    Sie sieht den Mörder in mir, dachte ich.
    Schwankend beugte ich mich zu Pearl hinunter, aber sie war zu meinem Vater geschlichen. Ich richtete mich wieder auf.
    Ich will nicht lügen. Ich bin froh, dass er tot ist. Kann ich jetzt gehen?
    Ich ging an ihnen vorbei und immer weiter bis zum Fuß der Treppe. Vorsichtig nahm ich die erste Stufe. Während ich, wie von einem Seil gezogen, erschöpft die Treppe hochstieg, spürte ich ihre Blicke im Rücken. Ich erinnerte mich, dass genau das schon einmal passiert war, nur dass ich zugesehen hatte. Ich war schon fast an meiner Tür, als mir wieder einfiel, wie meine Mutter diesem Ort der Einsamkeit entgegengegangen war und wir gefürchtet hatten, sie würde nie zu uns zurückkommen.
    Nein, dachte ich. Ich legte mich ins Bett. Ich habe ja Cappy und die anderen. Ich habe getan, was ich tun musste. Es ist nicht mehr zu ändern. Und ich kann alles ertragen, was jetzt kommt.
    * * *
    Ich lag flach. Ich war jetzt wirklich krank; die Sommergrippe, die ich vorgetäuscht hatte, fesselte mich mit Fieber ans Bett. Whitey stand für uns gerade. Als ihn erst Vince Madwesin, dann ein anderer Stammespolizist und schließlich Special Agent Bjerke vernahmen, gab er zu, dass wir von seinem Whiskey getrunken hatten und hinter der Tankstelle eingeschlafen waren. Er zeigte ihnen unser Versteck unter den Bäumen, die Flasche mit unseren Fingerabdrücken und mein Hemd. Meine Mutter identifizierte es als das Hemd, das sie mir an dem Tag rausgelegt hatte. Aber das Gewehr. Does 30 – 06er. Ich schwitzte und fror abwechselnd in meinen durchnässten Laken. Lange lag ich so da und sah zu, wie das goldene Abendlicht über meine Wände wanderte. Fühlen konnte ich nichts, aber meine Gedanken rasten.Immer wieder kehrte ich zu dem Tag zurück, als ich die Bäume aus dem Fundament unseres Hauses gegraben hatte. Wie beharrlich die Wurzeln sich festgeklammert hatten. Vielleicht hatten sie die Zementblöcke mit herausgezogen, die unser Haus stützten. Und wie seltsam, wie merkwürdig, dass etwas so mächtig werden kann, wenn es am falschen Ort Wurzeln schlägt. Ideen auch, murmelte ich. Ideen. Dads Gesetzestexte, der Cohen und dann dieser Auflauf. Ich dachte an die schwarzen Nudeln. Aus den Nudeln wurde ein Aas – die menschliche Leiche, der Büffel, das verdammte Aas im Gefängnis. Ich fragte mich, wie meine Mutter ihre Seele dazu gebracht hatte, in ihren Körper zurückzukehren, und ob sie überhaupt zurückgekehrt war und ob meine mich jetzt wegen dem, was ich getan hatte, verlassen würde. Würde ich mich in einen Wiindigoo verwandeln? Hatte Lark mich angesteckt? Und mir wurde bewusst, dass ich vor wenigen Monaten, selbst noch in dem Moment, wo ich die Bäume ausriss, im Paradies gewesen war. Ahnungslos. Selbst als das Böse schon geschah, hatte ich nichts davon gewusst. Ich war noch unberührt gewesen. Schließlich ermüdeten mich all diese Gedanken. Ich drehte mich zur Wand, von der Abendsonne weg, und schlief ein.
    Dad, sagte ich einmal, als er ins Zimmer kam, weiß Linda davon? Geht es ihr gut?
    Er hatte mir ein Glas von Whiteys Hausmittel mitgebracht – warmes Ginger Ale.
    Das weiß ich nicht, sagte er. Sie nimmt ihr Telefon nicht ab und geht nicht zur Arbeit.
    Ich muss zu ihr, dachte ich. Und dann schlief ich wieder ganz tief, bis in den nächsten Vormittag hinein. Als ich aus diesem Schlaf erwachte, war alles wieder klar. Ich hatte kein Fieber, war überhaupt nicht mehr krank. Sondern hungrig. Ich stand auf und ging duschen. Zog mir frische Sachen über und ging runter in die Küche.

Weitere Kostenlose Bücher