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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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könnte ich doch nutzen, um ein paar Sachen in Ordnung zu bringen.
    Was für Sachen? Erst dachte ich an ihr sauber dupliziertes Wohnzimmer, aber dann ahnte ich, dass sie ihre Gedanken meinte.
    Ich verrate es dir, sagte sie, wenn du mir verrätst, warum du hier bist.
    Ich legte mein Sandwich weg und wünschte mir, ich hätte es aufessen können, bevor es so weit kam.
    Warte, sagte Linda. Als hätte sie meine Gedanken gelesen, sagte sie, wir sollten erst essen und uns danach unterhalten. Sie entschuldigte sich dafür, eine schlechte Gastgeberin gewesen zu sein. Dann nahm sie ihr Essen wieder in die speckigen kleinen Hände mit den frisch lackierten Nägeln und warf mir diesen Blick zu – ein vergnügtes Funkeln, das zugleich ein bisschen wahnsinnig wirkte. Ich aß langsam, aber irgendwann musste ich doch den letzten Bissen schlucken.
    Linda tupfte sich mit ihrer Papierserviette die Lippen und faltete die Serviette zweimal. Der Golfplatz, sagte sie. Du hast mich ausgehorcht, Joe. Sie wedelte mit dem Zeigefinger. Dann habe ich zwei und zwei zusammengezählt. Allerdings bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass du zu jung bist, um so etwas fertigzubringen. Vielleicht bist du es gar nicht, aber ich habe es eben so beschlossen. Meine Theorie ist, dass du dein Wissen über Lindens Golfgewohnheiten an jemand Älteren weitergegeben hast. Aber an jemanden, der kurzsichtig ist, nicht an deinen Vater. Dein Vater ist ein sehr guter Schütze.
    Wirklich? Das überraschte mich natürlich.
    Das weiß doch jeder. Als junger Mann hat er alles getroffen, was er je ins Visier genommen hat. Kinder kennen eben die Geschichte ihrer Eltern nicht. Warum bist du hergekommen?
    Kann ich Ihnen vertrauen?
    Wenn du erst fragen musst – nein.
    Ich wusste nicht weiter. Dieses wahnsinnige Funkeln war wieder da und erleuchtete ihre kleinen runden Augen. Sie sah aus, als würde sie gleich vor Lachen platzen. Stattdessen beugte sie sich zu mir vor und blickte sich um, als wäre ihr Haus verwanzt, und flüsterte. Für deine Familie würde ich alles tun. Ihr bedeutet mir so viel. Obwohl du mich benutzt hast, Joe, und auch jetzt etwas von mir willst. Was ist es?
    In dem Moment dachte ich, ich würde sie nach dem Gewehr fragen. Stattdessen hörte ich mich eine Frage stellen, von der ich wusste, dass es keine Antwort darauf gab.
    Warum, Linda? Warum hat er es getan?
    Das überrumpelte sie. Ihre Augen quollen hervor und füllten sich mit Tränen. Aber sie antwortete. Sie antwortete in einem Tonfall, als sei das alles so selbstverständlich, dass meine Frage überflüssig war.
    Er hat deine Familie gehasst, also hauptsächlich deinen Vater. Aber auch Whitey und Sonja. Seine ganze Denke war völlig verquer, Joe. Er hat deinen Vater gehasst, aber auch gefürchtet. Trotzdem hätte er Geraldine nichts getan, wenn er nicht in Bezug auf Mayla so ein Monster gewesen wäre. Als Mayla in Geraldines Büro dieses Formular ausgefüllt hat, hat sie den alten Yeltow als Vater ihres Kindes benannt – was auch bedeutet, dass er sie geschwängert hat, während sie bei ihm arbeitete. Eine Highschool-Schülerin. Dieser alte Bock – entschuldige, wenn ich das sage – hat ihr ein Auto für die Heimfahrt gegeben und einen Haufen Schweigegeld, aber sie wollte trotzdem ihr Kind einschreiben lassen. Linden hat ja für den Gouverneur gearbeitet, aber was Mayla anging, war er immer eifersüchtig, immer besitzergreifend, krankhaft, tödlich verliebt. Er wollte mit ihr durchbrennen mit diesem Geld, und plötzlich gibt sie ihm nichts ab. Will nicht mit ihm mit. Hat wahrscheinlich Angst und kann ihn nicht leiden. Sie bittet Geraldine um Hilfe – und damit wissen schon zwei Bescheid. Das nagt an ihm. Er hat Yeltow vergöttert. Vielleicht hat er gedacht, wenn er an die Akte rankäme, könnte er Yeltow retten. Oder er wollte ihn erpressen. Ich hätte ihm beides zugetraut. Und deine Mutter wollte ihm die Akte natürlich nicht geben. Aber dass er deiner Mutter das angetan hat, hat mehr damit zu tun, dass manchmal jemand sein inneres Monster rauslässt. Nicht jeder hat so ein Monster, und selbst wenn, halten die meisten ihrs unter Verschluss. Aber das Monster in meinem Bruder, das hatte ich schon damals im Krankenhaus gesehen, und es hatte mich todkrank gemacht. Ich wusste, dass er es irgendwann rauslassen würde. Dass es jemanden anfallen würde, und dass es einen Teil von mir in sich tragen würde. Ja, ichwar auch Teil dieses Monsters. Ich habe gegeben und gegeben, aber weißt du was?

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