Das Haus des Windes
stand. Ich lauschte angestrengt.
In all den Jahren, die wir verheiratet sind, haben wir nie getrennte Betten gehabt, sagte mein Vater.
Das war abstoßend und faszinierend zugleich. Ich hielt den Atem an.
Sogar von Joe schottet sie sich ab. Mit ihren Kolleginnen redet sie sowieso nicht und will auch keinen Besuch, nicht mal von ihrer alten Internatsfreundin LaRose.
Clemence lässt sie auch nicht an sich ran, hat sie mir erzählt.
Geraldine. Oh, Geraldine. Sie hat doch bloß den Auflauf fallen lassen, und dann so was. Nein, ich weiß natürlich, dass es das nicht war. Ich habe sie erschreckt, und da ist die Angst vor dem Vorfall wiedergekommen.
Dem Vorfall. Bazil.
Ich weiß, aber ich kann eben nicht darüber reden.
Beide schwiegen. Vor dem Angriff, sagte mein Vater dann. Der Vergewaltigung. Ich werde auch schon verrückt, Edward. Dauernd verliere ich Joe aus den Augen.
Joe kommt schon zurecht. Und sie erholt sich wieder, sagte Edward.
Ich weiß nicht. Sie driftet immer weiter ab.
Was ist mit der Kirche?, fragte Edward. Soll Clemence sie mal mitnehmen? Du weißt ja, was ich davon halte, aber da ist dieser neue Priester, der scheint ganz gut zu sein.
Ich glaube nicht, dass das Geraldine nach so vielen Jahren helfen würde.
Jeder wusste, dass meine Mutter seit ihrer Rückkehr aus dem Internat nie wieder in die Kirche gegangen war. Sie hatte nie erzählt, warum. Und Clemence hatte nie versucht, sie zu überreden.
Und was ist das für ein Neuer?, fragte mein Vater.
Er ist interessant. Gutaussehend, könnte man sagen. Ist natürlich Geschmackssache. So ’n Filmstartyp.
Welche Rolle?
Kriegsfilm. B-Western. Einsamer Wolf auf aussichtsloser Mission. Ausgerechnet ein Exmarine.
O Gott, eine geweihte Killermaschine.
Ein Schweigen breitete sich zwischen den beiden Männern aus und wuchs an, bis es dröhnte.
Mein Vater stand auf. Ich hörte das Geräusch seiner Füße. Dann das seidige Gluckern von Whiskey.
Edward, was weißt du alles über den Priester?
Nicht viel.
Denk nach.
Schenk mir noch einen ein. Er kommt aus Texas. Aus Dallas. Der katholische Märtyrer an unserer Küchenwand. Dallas. Da kommt er her.
Das sagt mir nichts.
Genauer gesagt kommt er aus einem winzigen Kaff außerhalb davon. Er hat ein Gewehr; ich hab gesehen, wie er Erdhörnchen abgeknallt hat.
Was? Bisschen komisch für einen Benediktiner. Sind die nicht eher vornehm und besonnen?
Normalerweise ja, aber er ist gerade frisch ordiniert. Er ist anders als … aber an Father Damien erinnert sich ja sowieso niemand mehr. Und, tja, er ist auf der Suche, Bazil. Seine Predigten klingen ziemlich skeptisch. Manchmal frage ich mich, ob er irgendwie labil ist oder vielleicht einfach … intelligent.
Hoffentlich ist er nicht wie sein Vorgänger, der diesen Brandbrief an die Zeitung geschrieben hat. Über den verderblichen Charme der Métis-Frauen. Mein Gott, haben wir gelacht!
Wenn es nur Gott wäre. Aber manchmal, wenn ich mit Clemence zur Anbetung gehe, sehe ich doppelt, genau wie jetzt.
Und was siehst du?
Ich sehe zwei Priester. Einen, der mit dem Sprengel Weihwasser versprüht, und einen mit Gewehr.
Mit einem Luftgewehr.
Mit Luftgewehr, ja, aber er weiß damit umzugehen.
Gute Ausbeute?
Ein Dutzend Erdhörnchen, mindestens. Hübsch nebeneinander auf dem Spielplatz aufgereiht.
Die Männer dachten eine Weile nach, dann fuhr Edward fort. Aber das heißt ja nicht, dass er …
Ich weiß. Aber das Rundhaus. Ein heidnisches Symbol. Die Métis-Frauen. Das Feuer, das alles auslöscht – die Versuchung und das Verbrechen … o Gott.
Meinem Vater versagte die Stimme.
Bazil. Bazil, sagte Edward. Das ist doch nur Gerede.
Aber für mich klang die Sache mit dem Priester plausibel. Ich dachte an jenem Abend, auf jenem Sofa, auf dem sie mich nicht entdeckten, ich hätte ihnen die Wahrheit abgelauscht. Ich bräuchte nur noch den Beweis.
Ich muss über eine Stunde geschlafen haben, als ich davon aufwachte, dass Onkel Edward und mein Vater in der Küche mit den Gläsern klapperten und das Licht an- und ausschalteten. Ich hörte, wie mein Vater die Tür öffnete und sich von Onkel Edward verabschiedete und wie Pearl ins Haus kam. Mein Vater redete beruhigend auf sie ein. Er klang kein bisschen betrunken. Ich hörte, wie er ihr Futter in den Napf kippte. Dann das zielstrebige Knirschen und Mahlen ihrer Kiefer. Dad stellte ein, zwei Teller in die Spüle, dann gab er es auf. Er machte das Licht aus. Ich drückte mich fest in die Polster, als er
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