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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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Zack.
    Jetzt fängt das wieder an, sagte Cappy.
    Ich frage mich, sagte ich, ob wir den Cops überhaupt was sagen sollten. Ich meine, schließlich haben sie den Kanister übersehen. Und die Kühlbox. Und den ganzen Kleiderhaufen.
    Der Haufen stinkt. Nach Pisse.
    Er hat eingepisst, sagte Angus.
    Wir sollten das Zeug abfackeln, sagte ich.
    Meine Kehle brannte, und ein stechendes Gefühl kroch in mir hoch, dass ich fast schon wieder heulen wollte. Plötzlich erstarrten wir. Oben vom Hügel, hinter dem Wald, war ein Pfeifen zu hören wie von einer Adlerknochenflöte. Der Wind hatte sich gedreht, und die Luft strömte durch die Lehmfugen des Rundhauses und blies mehrere hohe Töne nacheinander.
    Cappy stand auf und starrte zum Rundhaus rüber.
    Angus bekreuzigte sich.
    Verschwinden wir, sagte Zack.
    Wir zerdrückten die Hamm’s-Dosen und wickelten sie mit den anderen in ein Stück Plastikfolie, damit Angus sie mitnehmen und verkaufen konnte. Dann löschten wir das Feuer und vergruben den restlichen Müll. Den Benzinkanister band ich mit einem Schnürsenkel an meinem Fahrrad fest, und wir fuhren los. Die Schatten waren lang, es wurde kühler, und wir waren hungrig,wie nur Jungs es sein können. So abartig hungrig, dass alles, was wir sahen, uns appetitlich vorkam und wir nur noch vom Essen reden konnten. Wo wir Essen kriegen konnten, was für Essen, wie viel davon und wie schnell. Das war alles, was uns interessierte. Zacks Mutter war noch beim Bingo. Tante Star war entweder reich oder pleite, dazwischen gab es nichts, und es war Samstag. Da hatte sie bestimmt schon alles ausgegeben, und zwar nicht für Lebensmittel. Bei Cappy zu Hause sah es die Woche auch mager aus, obwohl es vermutlich Eintopf gab. Does Junggesellen-Eintöpfe waren ein echtes Risiko. Einmal hatte er Backpflaumen in sein Chili gemischt. Und einmal hatte er einen Brotteig über Nacht stehen lassen, und eine Maus hatte sich reingegraben. Randall hatte in seiner Scheibe den Kopf gefunden und Cappy den Schwanz. Die Mitte fand keiner. Mein Haus erwähnten wir gar nicht erst. Vor dieser Sache wären wir garantiert dort auf Raubzug gegangen. Whiteys und Sonjas Zuhause lag am Weg, aber ich wollte meine Freunde nicht über sie reden hören. Sonja gehörte mir. Also behauptete ich, sie wären beide an der Tanke arbeiten. Blieb nur noch Grandma Thunder. Sie wohnte im Altenheim in einer Ein-Zimmer-Wohnung mit Küche. Sie kochte gern für uns und hatte den Schrank immer voller Essen aus ihren vielen Tauschgeschäften.
    Bestimmt macht sie Frybread mit Hack, sagte Zack.
    Sie hat immer Dosenpfirsiche, sagte Angus mit verträumter Stimme.
    Die haben ihren Preis, sagte Cappy.
    Man darf halt nicht Schwanz oder Eier sagen.
    Wer sagt denn so was zu seiner Oma?
    Wenn es einem gerade in den Kopf kommt …
    Kommt? Red bloß nicht vom Kommen.
    Oder von Katzen, sonst denkt sie an Pussys.
    Okay, sagte ich. Folgende Themen bleiben beim Essen außen vor: Schwänze, Katzen, Pussys. Eicheln.
    Und Lecken.
    Sagt bloß nicht Wiinag, und keine Reimwörter wie Öse oder Keil.
    Sagt nicht Nageln oder Spalte, also auch nicht Türspalt oder so, das kriegt sie sofort in den falschen Hals.
    Sagt nicht Ständer oder Büchse.
    Oder heiß oder scharf oder feucht.
    Ich muss absteigen, sagte Angus.
    Wir stiegen alle ab und legten unsere Fahrräder ins Gras. Ohne einander anzusehen, murmelten wir irgendwas von Pissengehen, trennten uns und schüttelten drei Minuten lang alle diese Wörter wieder ab. Dann kamen wir zurück, stiegen auf und fuhren weiter, die Nebenstraße runter, an der Missionsstation vorbei. Im Ort fuhren wir direkt zum Altenheim. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich nur See auf den Zettel an Dad geschrieben hatte, und rief ihn von der Rezeption aus an. Dad nahm beim ersten Klingeln ab, aber als ich sagte, dass ich bei Grandma Thunder war, klang er erleichtert und erzählte, dass Onkel Edward da war, um ihm einen wissenschaftlichen Aufsatz meines Cousins Joseph zu zeigen, und dass sie Reste aßen. Ich fragte, obwohl ich die Antwort kannte, wo Mom gerade war.
    Oben.
    Schläft sie?
    Ja.
    Ich liebe dich, Dad.
    Aber er hatte aufgelegt. Die Worte Ich liebe dich hallten nach. Warum hatte ich sie gesagt, und warum in dem Moment, wo ich wusste, dass er gerade den Hörer auf die Gabel legte? Jetzt machte es mich wütend, sie gesagt zu haben, und dass er nicht geantwortet hatte, tat mir in der Seele weh. Eine rote Zorneswolke wallte vor meinen Augen auf. Und mir war vor Hunger

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