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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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immer noch sauer. Ist ja toll, sagte ich. Jetzt haben wir schon Geister.
    Mein Vater, der strenge Rationalist, der erst nicht zum Abendmahl gegangen war und dann überhaupt nicht mehr zur heiligen Messe, glaubte an Geister. Er wusste sogar Sachen über sie, die er mir nie erzählt hatte. Wenn Onkel Whitey von Geistern angefangen hätte, die umherwanderten und wie Menschen aussahen, hätte ich gewusst, dass er mich nur aufziehen wollte. Aber mein Vater hatte ganz andere Methoden, jemanden aufzuziehen, und ich wusste, dass es ihm in diesem Moment ernst war. Weil er meinen Geist ernst genommen hatte, fragte ich ihn, was ich wirklich wissen wollte.
    Okay. Und warum war er da?
    Mein Vater zögerte.
    Vielleicht wegen deiner Mutter. Sie fühlen sich zu allen möglichen Schwierigkeiten hingezogen. Andererseits kann ein Geist auch jemand aus deiner Zukunft sein. Jemand, der, aus Versehen vielleicht, hinter der Zeit zurückgeblieben ist. Das habe ich von meiner Mutter gehört.
    Seine Mutter, meine Großmutter, kam aus einer Medizinmannfamilie. Sie hatte eine Menge Sachen gesagt, die einem erst komisch vorkamen und sich später bewahrheiteten.
    Sie hätte wohl gesagt, dass du nach diesem Geist Ausschau halten solltest. Dass er dir vielleicht etwas sagen will.
    Er stellte seine Tasse ab, und mir fiel wieder ein, dass er letzte Nacht neben der Nähmaschine geschlafen hatte statt neben meiner Mutter und dass er und Onkel Edward herausgefunden hatten, dass der Priester verdächtig war, und dass sie wahrscheinlich noch einiges mehr herausgefunden hatten, das ich nicht mitbekommen hatte, weil ich eingeschlafen war. Der Priester und der Benzinkanister und der stinkende Kleiderhaufen unddie Prozessakten verhedderten sich alle zu einer einzigen verfilzten Strähne. Meine Kehle trocknete aus, und ich konnte nicht mehr schlucken. Ich saß da. Mein Vater saß da. Der Geist war wegen meiner Mutter hergekommen oder weil er mir etwas sagen wollte.
    Das Allerletzte, was ich hören will, ist, was mir irgend so ein Geist zu sagen hat, sagte ich.
    In dem Moment fiel mir schlagartig ein, dass Randall so etwas Ähnliches gesehen hatte, was mich ein bisschen beruhigte. Wenn dieser Geist, oder was es auch war, Randall heimsuchte, dann konnte er das mit seiner Medizin in den Griff kriegen. Er würde Tabak niederlegen. Ich würde Tabak niederlegen. Der Geist würde verschwinden, oder vielleicht würde er sogar meiner Mutter helfen. Wer weiß? Sie war oben, und der Kaffee stand auf ihrem Nachttisch und wurde kalt. Ich wusste, dass sie ihn nicht anrühren würde und dass er später immer noch da wäre. Ein öliger Film würde sich auf dem kalten, widerlichen Zeug gebildet haben, das beim Auskippen einen schwarzen Rand hinterließ. Alles, was wir ihr gaben, kam wieder zurück und hinterließ einen Rand oder eine Kruste oder wurde kalt oder fest oder trocken. Es machte mich krank, ihr verdorbenes Essen runterzutragen.
    Mein Vater senkte den Kopf und stützte die Stirn auf seine Faust. Er schloss die Augen. Da war das Ticken der Uhr in dieser sonnigen Küche. Um das Ziffernblatt herum waren so etwas wie Sonnenstrahlen, aber sie waren geschlängelt und aus Plastik, und das Ganze sah mehr wie ein Krake aus. Trotzdem sah ich weiter auf die Uhr, denn sonst hätte ich meinem Vater auf den Kopf schauen müssen. Diese eierschalenbraune Kopfhaut zu sehen und diesen schmalen Rand aus grauem Haar hätte mich fertiggemacht. Ich würde kaputtgehen, dachte ich, wenn ich runtersah.
    Also sagte ich, hey, Dad, es ist doch nur ein Geist. Den werden wir schon los.
    Mein Dad hob den Kopf und strich sich mit beiden Händen über das Gesicht. Ich weiß, sagte er. Der hat uns nichts zu sagen, und er ist nicht ihretwegen hier. Sie erholt sich schon, sie wird damit fertig. Nächste Woche geht sie wieder arbeiten. Das hat sie gesagt. Und sie liest Bücher, oder Zeitschriften zumindest. Clemence hat ihr ein bisschen leichte Kost mitgebracht. Reader’s Digest . Das ist immerhin etwas, oder? Dieser Geist. Was meinst du damit, dass wir ihn loswerden können?
    Father Travis, sagte ich. Der könnte unseren Garten segnen oder so.
    Mein Vater trank einen Schluck Kaffee und musterte mich über den Rand seiner Tasse hinweg. Ich sah, wie ihn eine Energie erfüllte. Er war fast wieder der Alte. Er wusste, wenn ihn jemand verarschte.
    Also warst du wach, sagte er. Du hast uns belauscht.
    Ja, und ich weiß noch mehr, sagte ich. Ich war beim Rundhaus.

KAPITEL FÜNF
GEDANKENGIFT
    Wenn im Juni

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