Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
Vom Netzwerk:
nach der Messe war noch Anbetung. Warum fragst du?
    Nur so. Ohne besonderen Grund.
    Es gibt immer einen Grund, sagte Father Travis.
    Kann ich Sie noch etwas fragen?
    Nein, sagte er. Eine Frage pro Tag. Seine Narbe erwachte zuckend zum Leben. Sie wurde flammend rot. Du bist ein guter Junge, nach allem, was ich von deiner Tante höre. Gut in der Schule. Machst deinen Eltern keinen Kummer. Es wäre uns eine Freude, dich in unserer Jugendgruppe zu haben. Er lächelte. Ich sah zum ersten Mal seine Zähne. Sie waren zu weiß und zu gleichmäßig, um echt zu sein. So jung, und schon ein Gebiss! Und diese Narbe an seinem Hals, dick wie ein farbiges Seil. Er streckte die Hand aus. Entschlossenheit auf dem wie von einem naiven Künstler gemalten Gesicht. Zu schön, um schön zu sein, hatte Clemence gesagt. Wir standen da. Dass sich der Glanz seiner Soutane in seinen Augen spiegelte, war mir unheimlich. Er hielt mir ganz ruhig seine Hand hin. Ich versuchte mich zurückzuhalten, aber mein Arm bewegte sich von allein. Seine Handfläche war kühl. Der Ballen glatt und fest wie bei Cappys Dad.
    Also dann sehen wir uns. Er wandte sich zum Gehen. Dann drehte er sich mit einem angedeuteten Grinsen noch einmal um. Übrigens, rauchen kann tödlich sein.
    Ich blieb auf der Stelle stehen, bis er oben auf dem Hügel inder Kellertür der Kirche verschwunden war. Dann lehnte ich mich an einen Baum, aber ohne durchzuhängen. Ich war immer noch von dieser merkwürdigen Energie erfüllt. Ich ließ mir von dem Baum beim Nachdenken helfen. Zuallererst beschloss ich, mich nicht dafür zu hassen, was gerade zwischen mir und dem Priester passiert war. Ich hätte ihn schlecht zurückweisen können. Jemandem nicht die Hand zu schütteln war im Reservat fast so, wie ihm den Tod an den Hals zu wünschen. Ich wünschte Father Travis Wozniak den Tod und wollte ihn sogar brennen sehen, aber dieser Wunsch hing von einem stichfesten Beweis ab, dass er der Angreifer meiner Mutter war. Der Schuldige. Mein Vater hätte nie ohne hinreichende Beweise Schlüsse gezogen. Ich schupperte meinen Rücken an der rauen Baumrinde und starrte auf die Stelle, wo der Priester verschwunden war. Die Kellertür der Kirche. Ich würde diese Beweise finden, und wenn meine Freunde erst kamen, würden sie mir dabei helfen.
    Cappy kam mit Angus. Er hatte eine halb mit Kartoffelsalat gefüllte Brottüte und einen Plastiklöffel dabei. Ich krempelte den Rand der Tüte um, bis ich eine Art Schüssel hatte, und aß. Es war so ein Salat mit Senf in der Mayonnaise und mit Essiggurken und Ei. Bestimmt hatten Cappys Tanten ihn gemacht. Meine Mutter machte ihren genauso. Ich kratzte mit dem Löffel die Tüte aus. Dann erzählte ich Cappy und Angus von dem Gespräch, das ich belauscht hatte, und wie der Verdacht meines Vaters auf den Priester gefallen war.
    Dad hat gesagt, dass er im Libanon war.
    Na und, sagte Cappy.
    Er war ein Marine.
    Mein Dad auch, sagte Cappy.
    Ich finde, wir sollten rauskriegen, ob er Hamm’s trinkt, sagte ich. Ich wollte ihn fragen, aber dann hätte ich mich vielleicht verraten. Immerhin habe ich sein Alibi. Das muss ich nur überprüfen.
    Angus fragte: Sein was?
    Seine Ausrede. Er hat gesagt, er hätte an dem Sonntag die Messe gehalten. Da kann ich einfach Clemence fragen.
    Sollen wir ein paar Hamm’s vor seiner Tür abstellen und gucken, ob er sie trinkt?, fragte Angus.
    Jeder würde Freibier trinken, ganz besonders du, Starboy, sagte Cappy. Wir müssen ihn dabei erwischen, wie er heimlich Hamm’s trinkt. Ihn beschatten.
    Wir sollen einen Priester ausspionieren?
    Klar, sagte Cappy. Wir fahren hinter der Kirche und dem Kloster rum zum alten Friedhof. Da können wir durch den Zaun, und dann schieben wir unsere Räder zwischen den Gräbern durch. Sein Haus geht nach hinten auf den Friedhof raus, und da ist eine Kette vor dem Tor, aber man kann sich durchquetschen. Sobald es dunkel ist, schleichen wir uns an das Haus ran.
    Hat der einen Hund?, fragte ich.
    Keinen Hund, sagte Angus.
    Gut, sagte ich. Aber eigentlich hatte ich wenig Angst, von dem Priester erwischt zu werden. Der Friedhof machte mir in dem Moment viel größere Sorgen. Ich hatte gerade erst einen Geist gesehen. Einer reichte mir, und mein Vater hatte erzählt, wie sie vorbeigekommen waren, als er auf dem Friedhof arbeitete. Auf diesem Friedhof hatten sie Mooshums Vater begraben, der in Batoche an der Seite von Louis Riel gekämpft hatte. Er war Jahre später bei einem Pferderennen gestorben. Hier lag

Weitere Kostenlose Bücher