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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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Grace Lark, er passte einfach zu dem deines Bruders.
    Sie erklärte, George habe meinen Namen schnell in die Geburtsurkunde eingetragen und dass sie mich nie zu Gesicht bekommen hatten. Dann berichtete sie, wie George an einem Herzinfarkt gestorben war und sie überlegt hatte, nach Pierre umzuziehen, um Linden näher zu sein; sie habe aber ihr Haus nicht verkaufen können. Sie sagte, sie habe ja nicht geahnt, wie nahe ich wohnte, sonst hätte sie sich längst bei mir gemeldet.
    Bei diesem beiläufigen, ungezwungenen Geplauder muss eine Art träumerische Amnesie über mich gekommen sein, denn als Grace Lark fragte, ob wir uns treffen könnten, ob sie mich in Vert’s Supper Club zum Abendessen ausführen dürfe, sagte ich ja, und wir verabredeten einen Termin.
    Als ich endlich aufgelegt hatte, starrte ich lange in das kleine Feuer in meinem Kamin. Vor dem Anruf hatte ich es angezündet und mich darauf gefreut, Popcorn zu machen. Ich hätte einige Körner in die Luft geworfen, und der Hund hätte danach geschnappt. Vielleicht hätte ich mich in die Küche gesetzt und am Tisch einen Film angeschaut. Oder ich wäre am Feuer sitzen geblieben und hätte den Roman aus der Bücherei gelesen. Der Hund hätte geschnarcht und im Traum mit den Beinen gezuckt. Das waren meine Optionen gewesen. Jetzt beschäftigte mich etwas ganz anderes – ein grauenhaftes Aufgebot an Gefühlen lauerte auf mich. Von welchem sollte ich mich zuerst überwältigen lassen? Ich konnte mich nicht entscheiden. Der Hund kam und legte seinen Kopf in meinen Schoß, und wir saßen so da, bis mir einfiel, dass eine meiner möglichen Reaktionen stumpfe Benommenheit war. Erleichtert und emotionslos ließ ich den Hund vor die Tür, ließ ihn wieder herein und ging ins Bett.
    Also lernte ich sie kennen. Sie war so unscheinbar. Bestimmt hatte ich sie irgendwo auf der Straße, im Supermarkt oder aufder Bank schon einmal gesehen. Hier in der Gegend dürfte es schwerfallen, irgendjemanden sein ganzes Leben lang nicht zu treffen. Aber ich hätte sie nie für meine Mutter gehalten, weil mir nichts Vertrautes an ihr auffiel, keine Ähnlichkeit mit mir.
    Wir gaben uns nicht die Hand und umarmten uns schon gar nicht. Wir setzten uns in einer mit Kunstleder bespannten Sitznische einander gegenüber.
    Meine biologische Mutter starrte mich an. Du bist gar nicht … sie brach ab.
    Zurückgeblieben?
    Sie riss sich zusammen. Die Haarfarbe hast du von deinem Vater, sagte sie. George hatte dunkles Haar.
    Grace Lark hatte rot geränderte blaue Augen hinter einer blassen Brille, dazu eine schmale Nase und einen winzigen, lippenlosen Bogen von einem Mund. Ihr Haar war typisch für eine Siebenundsiebzigjährige – eine eng gelockte grauweiße Dauerwelle. Sie trug ein leicht verfärbtes Gebiss, große Zuchtperlenohrringe, eine blassblaue Stoffhose und klobige orthopädische Schnürschuhe.
    Nichts von ihrer gesamten Erscheinung sprach mich an. Sie war eine ganz beliebige alte Dame, für die sich niemand interessieren würde. Mir ist aufgefallen, dass die Leute im Reservat um Frauen wie sie einen Bogen machen – ich weiß nicht, warum. Vielleicht ein beidseitiger Instinkt, sich aus dem Weg zu gehen.
    Sollen wir bestellen?, fragte Grace Lark und berührte die Speisekarte. Nimm, was immer du willst, du bist eingeladen.
    Nein, danke, wir zahlen getrennt, antwortete ich.
    Darüber hatte ich vorher nachgedacht; wenn sich meine biologische Mutter irgendwie von ihrer Schuld freikaufen wollte, hatte ich mir überlegt, wäre mir so ein Abendessen zu billig. Wir bestellten jedenfalls und tranken unseren sauren weißen Wein.
    Das Abendessen, Zander und Pilaw, überstanden wir irgendwie. Bei einer Schüssel Ahornsirup-Eis kamen Grace Lark die Tränen. Ich wünschte, ich hätte gewusst, dass du so normal werden würdest. Ich wünschte, ich hätte dich nie weggegeben, schluchzte sie.
    Mich erschreckte ihre heftige Reaktion, und ich fragte hastig: Wie geht es Linden?
    Sie hörte auf zu weinen. Er ist sehr krank, sagte sie. Ihr Gesicht wurde hart und direkt. Er leidet an Nierenversagen und muss zur Dialyse. Er wartet auf eine Spenderniere. Ich würde ihm ja eine von meinen geben, aber wir sind schlecht kompatibel, und meine Nieren sind alt. George lebt nicht mehr. Du bist die letzte Hoffnung für deinen Bruder.
    Ich tupfte mir den Mund ab und spürte, wie es mich vom Stuhl hob, wie ich schwebte, fast bis ins All. Etwas anderes, gerade eben Wahrnehmbares schwebte neben mir, so dicht, dass ich

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