Das Haus in der Eve-Street
Haar und von erhabener, männlicher Statur. Im Gefängnis hatte er viel Zeit gehabt und hatte sich ein Wissen über Maschinen- und Landschaftstechnik angeeignet. Sein Grundwissen als Mechaniker und Chauffeur hatte ihm da sicherlich geholfen. Ich staunte nicht schlecht. Er war zu einem gebildeten Mann geworden, der während seines Gefängnisaufenthaltes, tüchtig gearbeitet und gelernt hatte. Aber das Gefängnis durfte zur damaligen Zeit kenne Stellen an Verurteile weitergeben. So bekam er von mir das Weingut geschenkt, der durch seine Hilfe einen herrlichen Wein kreierte, der gerne getrunken wurde. Chardonnay Livion hieß die gute Traube, die einmalig schmeckte und für einen herben, lieblichen Geschmack sorgte.
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Das Freudenhaus der besonderen Art besaß aber auch Einfluss. Da viele Politiker, alte Adelige und Neureiche bei uns einkehrten, wurden viele wichtige Gespräche an unseren Tischen geführt. Wer die Aufträge für die geplante Straße bekam, wer als nächster Bürgermeiste kandidierte oder wer mit wem schlief. Die Männer entspannten sich und wir nahmen ihnen das Geld ab, das doch ziemlich belastend sein konnte.
Anfang des darauffolgenden Jahres, beschlossen wir, unser Programm zu erweitern, indem wir ein Badehaus errichteten. In diesem Badehaus, das wir von einem Türken, der bei uns arbeitete, erzählt bekommen hatten, konnte man sich noch mehr entspannen. Die Wärme, die guten Düfte und das Ambiente trugen das Nötige dazu bei. Wir waren begeistert und unsere Kunden auch.
Es muss 19 08 gewesen sein, als Thomas und ich wieder einmal einen Streit hatten. Er wollte schon längst wegziehen und diesen Traum, den wir anfangs ins Auge gefasst hatten, endlich umsetzten. Aber ich war hier zuhause. Ich war stolz auf mich, ich freute mich jeden Abend darauf, in die Manege der Männer zu steigen, mich ficken zu lassen oder zu ficken und den nötigen Klatsch und Tratsch der Reichen aufzuschnappen. Ich war ein angesehener Mann, warum das ändern?
„Weil wir beide auch nicht jünger werden“, sagte Thomas immer, der schon auf die 40 zuging. Er war keinesfalls alt oder gebrechlich, aber unglücklich. Und weil er in mich verliebt war und sich kein Leben ohne mich vorstellen konnte, blieb er. Ich denke aber auch, dass es das Geld war, das er sah und das Geld uns absicherte – in jeder Lage. Wir konnten uns jeden Arzt leisten, wir waren reich, aber die Unruhen nahmen ebenso mit jedem Jahr zu wie politische Umschichtungen. Man musste flexibel sowie kreativ sein. Flexibel: weil man von einem Tag auf den anderen neue Freunde brauchte, weil die alten abgesetzt oder verstorben waren und kreativ: weil die Gäste stets Neuerungen liebten, weil sie dem Alten überdrüssig wurden. In dieser Zeit verloren viele Politiker ihre Macht, einige, die konservativ waren, stiegen auf und wollten uns einen Riegel vor die Tür schieben. Aber nicht mit mir. Ich war doch ein Kämpfer und Thomas, der immer an meiner Seite war, auch. Wir konnten unser Freudenhaus der besonderen Art nicht einfach so aufgeben, nur weil die Zeiten turbulent waren und das Publikum immer stärker unter den Rock der Kirche kroch.
„Männer ficken gerne Männer“, sagte ich, „das ist ein e Tatsache, wovor hast du Angst?“
Aber Thomas reagierte nicht darauf. Er wurde verschlossener.
Und ich wanderte jeden Abend durch die Betten, konnte nicht glauben, was rund um uns geschah. Ich fühlte mich wie der Mittelpunkt der Stadt, der Nabel der Unzucht. Zu mir kamen sie doch alle, die Einflussreichen, um sich bei mir zu erholen, die Neureichen, um etwas zu erleben, Spaß zu haben. Ich war jemand, mein Name hatte Gewicht. Leute, Männer wie Frauen, kamen zu mir und wollten bei mir arbeiten, bei mir sein. Ich bot Menschen eine Zukunft!
Doch im Leben kommt alles anders.
Thomas wurde krank. Und es lag an mir, ihn gesund zu pflegen. Ich holte die besten Ärzte in unser Haus, die Thomas untersuchten. Ich versprach ihm, dass er, sobald er gesund wäre, wieder Fit zum Reisen wäre, wir die Koffer packen würden, um unsere Zelt abzubauen und zu verschwinden. Aber das erlebte Thomas nicht mehr. Mittlerweile waren die Forschungen der Medizin besser geworden und sie stellten eine Lungenkrankheit fest. Die schwache Lunge, die man damals ebenso bei Mrs. Pintsy festgestellt hatte, war nichts anderes als Tbc: Tuberkulose.
Thomas ging es sehr schlecht und ich habe jeden Tag für ihn gebetet, jeden verdammten Tag habe ich dar um gebetet, der
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