Das Haus in der Eve-Street
liebe Gott möge ihn mir nicht nehmen. Aber Gottes Wege sind unergründlich. Thomas schloss die Augen, er ging viel zu schnell und ich habe es mir nie verziehen, ihm seinen Wunsch nicht erfüllt zu haben. Er wollte mit mir, seinem Freund, seiner großen Liebe weggehen. Er wollte diese verdammte Stadt verlassen, in der ich hineingeboren war und in der ich mich wohlfühlte.
Aber irgendwann ist das alles vorbei gewesen, das habe ich an meinem eigenen Leben feststellen müssen, als auf mein Freudenhaus der besonderen Art ein Anschlag verübt wurde. Mit Sack und Back habe ich versucht zu retten, was zu retten möglich war. Einige Menschen, wie Mrs. Loreen und Jan, kamen ums Leben und der Rest, der überlebt hatte, der stand mit nichts auf der Straße. Klar, sicherlich habe ich mir etwas angespart, aber im selben Jahr, gab es einen Börsenkrach, der mir alles, was ich angespart hatte, wegnahm.
So war das damals, wenn man Geld hatte, legte man es auf die Bank und die Bank arbeitete mit deinem Geld. Aber sie hatte nicht gut mit meinem Geld gearbeitet. Der Wirtschaft ging es immer schlechter, bis die Menschen das, was sie sich mühsam aufgebaut haben, vernichtet hatten.
Der Ausstieg
Es war das Jahr, das zu meinen schlimmsten zähl te, ich hatte plötzlich kein Freudenhaus, keine Arbeit und keine einflussreichen Freunde. Klar, ich war bekannt geworden, die Leute wussten, was ich tat und jetzt meinten alle, dass ich sie verhext hätte, und dass ich deswegen in die Hölle wandern würde. Sie verbannten mich aus der Stadt. Ich musste gehen, sonst hätten sie mich getötet.
Und dann, es war am 3. Juni 1911, als ich vor den Trümmern meines Freudenhauses stand, mir niemand Einlass in sein Haus gewährte, obwohl ich sie alle betuttelt und bewirtet hatte , entschloss ich mich zu gehen. Ich erinnerte mich an Markus und das Weingut, das weit außerhalb der Stadt lag. Ich hatte ihm dieses Weingut geschenkt und machte mich auf, ihm und seiner Familie einen Besuch abzustatten, um ihnen meine missliche Lage zu schildern.
Ich besuchte Markus, der ebenso ein Mann in den besten Jahren war. Auch sein Weingut musste zahlreiche Rückschläge in Kauf nehmen, da die Wirtschaft in Amerika sich noch länger nicht erholen würde, aber er war schlau gewesen und kam gut über die Runde, weil er sich nicht nur auf den amerikanischen Markt konzentrierte, sondern seine Weine auch bis nach Europa verkaufte. In Europa wusste man von einer Wirtschaftskrise nichts. Europa nannte er sein zweites Standbein.
Er hatte eine wunderschöne Frau, Yasmeen, die besonders in den Herbsttagen, das schönste weibliche Wesen war, das weit und breit lebte. Ihr lockiges, dunkelblondes Haar, in dem immer ein Blatt von einer Rebe zu finden war, das goldig glänzte, schimmerte wie Seide, wenn die Sonne hinter den Bergen verschwand.
Abends, nach der Arbeit saßen wird draußen, aßen und tranken zusammen und ich bedankte mich immer – jeden Abend – für die freundliche Aufnahme. Ich erzählte Yasmeen alles, was mir passiert war und sie schlug mir vor, das Grab von Thomas auf das Weingut zu verlegen. Yasmeen erkannte, wie viel mit Thomas bedeutete. Sie und ihr Mann führten eine sehr gute Ehe und auch die Kinder, die noch sehr klein waren, waren wohlerzogen. Peter war ein Jahr alt und sein Bruder Brian war zwei.
*
Im Sommer 1919 beendete Lukas Ward seine Memoiren. Es gäbe wahrscheinlich noch viel zu erzählen, was sich alles in seinem Kopf abgespielt hat. In seinen letzten Jahren, die er bei mir und meiner Familie gelebt hat, hat Lukas immer weniger geschrieben, wahrscheinlich weil die Gicht ihn ab und an sehr zusetzte. Aber er war stets ein harter Arbeiter, der nicht für seinen Lohn bettelte. Seine letzten Jahre möchte ich mit dem, was ich an Tagebüchern und Schriften gefunden habe, zusammenfassen.
Sommer 1911 bis Herbst 1919
Ich bin nun schon ein paar Jahre auf dem Hof von Markus, der mich sehr gut behandelt. Markus sagt immer, dass er ohne meine Hilfe nicht glücklich geworden wäre, um sein schreckliches Leben bei Mrs. Goodsen zu vergessen. Ich erinnere mich gerne an diese Zeit zurück, aber das sage ich ihm nicht, weil ich Respekt vor seiner Meinung habe.
Jeden Abend, nach dem Abendessen, besuche ich das Grab von Thomas. Hinter meinem kle inen Haus, das einmal ein Schuppen war und den wir umgebaut haben, setze ich mich zu ihm nieder und rede mit ihm. Ich rede meistens davon, dass ich am Ende doch
Weitere Kostenlose Bücher