Das Haus mit der grünen Tür
mußte Henning sterben …«
Kate Kvam fauchte: »Und so mußte Henning sterben! So redet sie über ihn – ihren eigenen Bruder! Sie hat ihren eigenen Bruder umgebracht, Veum …«
»Es war also …«
Die eiskalte Stimme unterbrach mich. »Ich hab dir von ihm erzählt, oder nicht, Varg?«
»Aber du hast nicht gesagt, wie er hieß. Daß es Kvam war.«
»Nein. Etwas mußtest du schon selbst rausfinden. Du bist doch der Detektiv.« In ihrer Stimme war offener Hohn.
»Also könntest auch du ihn überredet haben zu – mir zu gehen, das erste Mal. Du könntest ihn auch zum Hotelzimmer gelockt haben. Du könntest von der Wohnung gewußt haben, genausogut wie Frau Kvam. Du warst die falsche Frau Moberg an dem Abend – und du fandest sie am Morgen danach. Du warst der weibliche Hotelgast an dem Tag, als Kvam ermordet wurde. Aber – aber warum?«
»Ich wußte von allem. William hatte mir alles erzählt, nachdem zwischen uns eine – Beziehung – entstanden war. Wir wollten heiraten, wenn die Zeit reif war. Wenn seine Frau eine – Überdosis genommen hätte. Aber dann mußte es plötzlich schneller passieren, und häßlicher, weil sie unseren ganzen Plan kaputt machen und zu den Bullen gehen wollte. Vielleicht hatte sie es bemerkt – das zwischen William und mir. Vielleicht wollte sie nur wieder – von der Nadel. Also mußte sie sterben. Und jetzt mußt du sterben, Varg. Du – und die da.« Sie sah Kate Kvam nicht an, als sie das sagte. Sie sah mich an. Ihr Blick ließ mich nicht los.
Sie sagte: »William, du schreibst ein Geständnis auf der Schreibmaschine. Unsere Freunde hier möchten gern den Mord an deiner Frau – und an Henning gestehen. Und dann werden sie Selbstmord begehen. Doppelselbstmord, wie Romeo und Julia.«
William Moberg sah sie an. Ich sah die Schweißperlen auf seiner Stirn, die weit aufgerissenen Augen. Er sagte: »Noch zwei – Hilde? Noch zwei?«
»Alles für uns – William. Für uns … Und die Zukunft … Und das ganze Geld …«
»Aber können wir nicht –«
»Sie wissen zuviel – er –«
»Was haben wir falsch gemacht, Hilde, was –«
Ich sagte: »Ihr habt einiges falsch gemacht, aber der größte Fehler war, daß ihr mich wähltet, um dir ein Alibi zu verschaffen, Moberg. Ich bin viel zu neugierig. Ihr habt den Bock zum Gärtner gemacht und –«
»Sei still!« ertönte wieder die eiskalte Stimme. »Wir haben genug geredet.«
Wir hatten genug geredet. Es war an der Zeit zu handeln. Und es war Kate Kvam, die handelte.
Alles geschah im Laufe von wenigen, blitzschnellen Sekunden. Kate Kvam stand plötzlich auf. Die offene Handtasche fiel vor ihr auf den Boden. In der Hand hielt sie ein Monstrum von einem Küchenmesser. »Ihr habt ihn umgebracht! Ihr habt Henning umgebracht!« Und sie stolperte auf Hilde Varde zu.
Aus einem Augenwinkel sah ich, daß William Moberg hinter dem Schreibtisch aufstand – und aus dem anderen sah ich die versilberte Giftschlange zur Seite schwingen und ihren giftigen Blick von mir abwenden. In dem Augenblick warf ich mich nach vorn, auf ihre Beine.
Alles geschah in einer ohrenbetäubenden Sekunde: Ich hörte einen Schuß. Ich hörte Moberg rufen: »Hilde!« Ich hörte Kate Kvam hysterisch schreien. Und ich fühlte, wie Hilde Varde unter mir strampelte und zuckte. Meine Hand glitt ihren Arm entlang und umfaßte die kleine Waffe. Sie keuchte unter mir, wie eine Wildkatze: eine wütende, wildgewordene, heulende Wildkatze. Ihre freie Hand kam mit Nägeln wie Dolchspitzen auf meine Augen zu. Ich wand mich zur Seite. Ihre Nägel streiften meine Wange. Dann hatte ich die Derringer frei. Ich rollte zur Seite, stand auf und blieb mit dem Rücken zur Wand stehen.
William Moberg stand hinter dem Schreibtisch. Sein Gesicht war grau und krank, er sah aus wie ein sehr alter Mann. Kate Kvam lag schluchzend auf dem Boden, wie sie gestolpert war. Ihr Messer lag vor meinen Füßen, so sauber und unbefleckt, wie es aus ihrer Tasche gekommen war.
Und auf dem Boden, wo ich sie verlassen hatte, lag Hilde Varde. Sie starrte nicht mich an. Sie starrte keinen von uns an. Sie starrte in die Wand, auf ihr eigenes Zerrbild, so wie sie es in Mauern sehen würde, in den kalten, toten Mauern, von jetzt an und in alle Ewigkeit. Und ihr Haar war weiß, wie der Schnee auf dem Kilimandscharo, aber ihre Augen waren schwarz, so schwarz wie die endlose Nacht, die vor ihr lag, so schwarz wie der Tod.
Ich stand da und sah sie an. Es waren fünf gewesen, aber zwei davon waren tot.
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