Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose
altmodischen Höflichkeit versöhnlich zu stimmen.
»Dr. Crawford«, sage ich. »Bitte entschuldigen Sie die Störung.«
»Mr Jatschmenew«, antwortet sie, wobei sie mich damit beeindruckt, dass sie sich so schnell an meinen Namen erinnert; im Laufe der Jahre hat es nicht wenige Leute gegeben, die ihn sich nicht merken oder ihn nicht richtig aussprechen konnten. Und dann waren da noch diejenigen, die es als unter ihrer Würde empfanden, dies überhaupt zu versuchen. »Sie stören mich keineswegs. Bitte kommen Sie doch herein.«
Ich bin froh, sie heute so zugänglich zu erleben, und trete ein. Dann nehme ich Platz, den Hut in der Hand, und hoffe, dass sie vielleicht gute Neuigkeiten für mich hat. Ich kann mir nicht helfen, ich muss einfach auf ihren Ringfinger schauen, und ich frage mich, ob ihre gute Laune auf den glänzenden Goldreif zurückzuführen ist, der mich anfunkelt, während er das Sonnenlicht einfängt. Sie lächelt, als sie mich von oben bis unten mustert, und ich starre sie an, ein wenig überrascht. Dies ist schließlich die Krebsstation. Diese Frau behandelt von morgens bis abends Krebspatienten, sagt ihnen die schrecklichsten Dinge, vollführt an ihnen die grässlichsten Operationen und beobachtet, wie sie sich schließlich von dieser Welt in die nächste quälen. Deshalb frage ich mich, was es wohl sein mag, das sie so fröhlich stimmt.
»Entschuldigen Sie, Mr Jatschmenew«, sagt sie mit einem schnellen Kopfschütteln. »Sie müssen mir verzeihen, aber ich bin immer davon beeindruckt, wie gut Sie angezogen sind. Männer Ihrer Generation scheinen immer einen Anzug zu tragen, oder? Und Männer mit Hüten bekommt man heute auch nicht mehr oft zu Gesicht. Ich vermisse die Hüte.«
Ich schaue an mir hinunter und frage mich, wie ich ihre Bemerkung zu verstehen habe. So ziehe ich mich nun einmal an, so habe ich mich schon immer angezogen. Es scheint mir nicht weiter erwähnenswert. Ich frage mich auch, ob mir ihre Unterscheidung zwischen unseren Generationen gefällt, auch wenn ich fast vierzig Jahre älter sein dürfte als sie. Tatsächlich muss Dr. Crawford etwa so alt sein, wie Arina, unsere Tochter, heute gewesen wäre. Wenn sie den Unfall überlebt hätte.
»Ich möchte mich nach meiner Frau erkundigen«, sage ich, denn ich finde, es sind genug Belanglosigkeiten ausgetauscht worden. »Ich möchte mich nach Soja erkundigen.«
»Ja, natürlich«, erwidert sie schnell, nun in einem ganz und gar geschäftsmäßigen Tonfall. »Was wollen Sie wissen?«
Darauf fällt mir absolut nichts ein, obwohl ich mir seit meinem gestrigen Krankenhausbesuch in Gedanken eine Reihe von Fragen zurechtgelegt habe. Ich durchstöbere mein Gehirn nach den richtigen Worten, nach etwas, das ansatzweise wie Sprache klingt. »Wie geht es ihr?«, frage ich schließlich, vier Wörter, die nicht auszureichen scheinen, um die schwere Last der Fragen zu tragen, die sie beinhalten.
»Sie hat keine Beschwerden, Mr Jatschmenew«, erwidert sie, in einem etwas sanfteren Tonfall. »Aber wie Sie wissen, der Tumor befindet sich in einem fortgeschrittenen Stadium. Erinnern Sie sich noch daran, was ich Ihnen neulich über die Entwicklung eines Ovarialkarzinoms erzählt habe?«
Ich nicke, kann ihr aber nicht in die Augen sehen. Wie stark wir uns an die Hoffnung klammern, selbst wenn wir wissen, dass keine mehr besteht! Im Verlauf mehrerer Beratungsgespräche hat sie Soja und mich ausführlich über die vier aufeinanderfolgenden Stadien der Krankheit und deren jeweiligen unvermeidlichen Ausgang ins Bild gesetzt. Sie hat von Eierstöcken und Tumoren gesprochen, von Gebärmutter, Eileiter und Becken; sie hat Formulierungen wie Peritonealspülungen , Metastasen und paraaortale Lymphknoten verwendet, die mir ein Buch mit sieben Siegeln gewesen sind, doch ich habe aufmerksam zugehört, vernünftige Fragen gestellt und mir redlich Mühe gegeben, alles zu verstehen.
»Also, im derzeitigen Stadium können wir im Grunde nichts weiter tun, als Sojas Schmerzen so weit wie möglich zu lindern. Für eine Frau ihres Alters spricht sie tatsächlich sehr gut auf die Medikamente an.«
»Sie war schon immer sehr stark«, sage ich.
»Ja, das merkt man«, erwidert sie. »Sie ist zweifellos eine der tapfersten Patientinnen gewesen, die mir in meinem Berufsleben untergekommen sind.«
Mir missfällt diese Verwendung der Konstruktion »ist gewesen«. Dies impliziert etwas, das bereits vorbei ist. Das einmal war, und das nun nicht mehr ist.
»Zu mir nach
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