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Das heilige Buch der Werwölfe

Das heilige Buch der Werwölfe

Titel: Das heilige Buch der Werwölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Pärchen Anime-Transformers zu verwandeln, die einander auf dem Dach eines Tokioter Wolkenkratzers beschnüffeln … Der blanke Horror. Und als ich einmal der deutsche Major aus Casablanca sein wollte, der ihn von hinten vögelt, während er – als der schwarze Klavierspieler – Summertime, and the living is easy singt, da geriet Alexander dermaßen außer sich, als hätte ich Vaterlandsverrat von ihm verlangt.
    Auch das wäre ein interessantes Thema für Doktor Spengler gewesen: Die russischen Männer in ihrer Mehrzahl sind deswegen so homophob, weil der russische Geist stark von den Metastasen des kriminellen Ehrenkodex befallen ist. Jeder richtige Mann, gleich was er angestellt oder nicht angestellt hat, veranstaltet ein gedankliches Probeliegen auf den Lagerpritschen und sieht zu, dass sein Personalbogen keine maßgeblichen Brüche irgendwelcher Lagertabus enthält, für die er früher oder später den Arsch hinhalten müsste. Darum hat das Leben des russischen Machos etwas von einer spiritistischen Endlossitzung: Während der Körper im Luxus badet, sitzt der Geist immer irgendeine Strafe ab.
    Ich bin, nebenbei gesagt, im Bilde, warum das so ist, ich könnte ein dickes gelehrtes Buch darüber schreiben. Der Kerngedanke wäre folgender: Russland ist ein Land, das auf bäuerlicher Selbstverwaltung gewachsen ist, und die Zerstörung dieser bäuerlichen Kultur führte dazu, dass mehr und mehr eine andere Form von Selbstverwaltung, nämlich die des kriminellen Milieus, die allgemeingültigen Maßstäbe der Moral lieferte. Wo früher der liebe Gott residierte, galt jetzt ein kleines Einmaleins, genauer gesagt, der liebe Gott wurde ein Teil davon: 1 Mann, 1 Wort, wie der Diskurs jenes unbekannten Meisters der Knasttätowierung lautete. Und als schließlich auch die letzte Religionsprothese, der »innere Parteisekretär« aus Sowjetzeiten, demontiert war, da lieferte die auf Ganovenlieder gestimmte Klampfe endgültig den Kammerton der russischen Seele.
    So ekelhaft diese Knastmoral auch immer sein mag – eine andere ist nicht mehr vorhanden. Ich seh nur noch Melonenkarren, ich seh hier keine Menschen mehr – Lermontow scheint es exakt vorausgesehen zu haben, auch wenn er nicht wissen konnte, dass »Melonen« einmal, gut anderthalb Jahrhunderte später, ein Unterweltsausdruck für Millionen sein würde. (Dollar natürlich.) Melonen im Überfluss, nur keine ehrenwerten Leute! Nichts als KGB-Windhunde und Spintrienjournaille, spezialisiert auf liberale Wertepropaganda …
    Yeah! Den letzten Satz lasse ich so stehen, möge der Leser sich daran ergötzen. Werfuchsschläue! Wir Werfüchse sind nämlich von Natur aus liberal, so wie die Seele die geborene Christin ist. – Huch! … Was schreibe ich denn da? Mein Gott. Aber man weiß ja, wo das alles herkommt. Das von der Spintrienjournaille hab ich von den KGB-Windhunden. Das von den KGB-Windhunden hab ich von der Spintrienjournaille. Nichts zu machen: Schnappt ein Werfuchs irgendeine Meinung auf, dann käut er sie automatisch in der ersten Person wieder. Wie auch sonst? Eine eigene Meinung haben wir zu diesen Fragen nicht (das fehlte noch), aber man lebt unter Leuten. Also lässt man die Bälle zurückgehen. Nein, was bin ich froh, dass ich kein Buch über Russland schreiben muss. Was wäre ich schon für ein Solschenizyn auf seiner Ranch Jasnaja Poljana? Nicht mit der Lüge leben. Life's Good © Aber ich schweife schon wieder ab.
    Die tieferen Gründe für seine Homophobie hatte ich mit Alexander bislang kaum erörtert (kein Thema für ihn), doch war ich überzeugt davon, dass ihre Wurzel bis in die kriminellen Katakomben des russischen Bewusstseins hinabreichte. Bei ihm ging die Homophobie so weit, dass er alles ablehnte, was auch nur ein klein wenig schillernd war. Und er phantasierte es sonst wo hinein: Zum Beispiel war er der Meinung, Bunins Schulbuchgedicht Der Hahn auf dem Kirchenkreuz spiele auf die schwierige Situation der Schwulen in Russland unter dem Zaren an. (Gleich stellte ich mir einen Nachtklub-Chansonnier auf der Kirchturmkuppel vor, wie er mit dem Lied seinen Arsch bei besoffenen Kreuzrittern loszukaufen sucht: Er singt vom Leben und vom Tod / von Feuersnot und Gnadenbrot …)
    »Was hast du eigentlich gegen Schwule?«, fragte ich.
    »Sie sind gegen die Natur.«
    »Aber die Natur hat sie doch geschaffen. Wie können sie dann gegen die Natur sein?«
    »Das ändert nichts. Was als Keim im Sex verborgen liegt, sind die Kinder – so wie die Kerne in der

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