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Das heilige Buch der Werwölfe

Das heilige Buch der Werwölfe

Titel: Das heilige Buch der Werwölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Kostbarkeit demonstrativ geringschätzte; hier trafen sich die Ideale des Finanzkapitals mit den Werten der Achtundsechziger in einem ästhetisch integren Objekt: Schaut her, verhieß es, sie hat es nicht nur mit Abramowitsch, sondern auch mit Che Guevara! Verbunden gar mit der vagen Andeutung, dass Abramowitsch nur eine vorübergehende Wahl ist, so lange bis Che wieder in Mode kommt (Che tut hier nichts zur Sache, für ihn macht keine mehr die Beine breit – das Mädchen vermutet einfach, dass Abramowitsch auf so einen Blinker besser anbeißt.) Kurzum: genau das, was der Doktor verschrieben hat, wie der Russe zu sagen pflegt.
    Dieser Doktor kann mir übrigens gestohlen bleiben. Von solchen habe ich in zweitausend Jahren genug gesehen. Verschreiben irgendwas, und die liebe Menschenseele glaubt ein ums andere Mal an den gleichen Schwindel, segelt fröhlich gegen die Klippen dieser Welt, schlägt sich an ihnen den Kopf ein. Und segelt wieder los – wie beim ersten Mal. Du aber siedelst an der Küste dieses Meeres, hörst die Wellen rauschen und denkst: Bloß gut, dass jede Welle nur von sich weiß und nichts von dem, was war.
     
    Natürlich bekomme ich solche Ringe und Broschen nicht zur Vervollkommnung meiner Seele geschenkt, die zu erfassen die Menschen von heute sowieso nicht in der Lage wären. Sie wissen ausschließlich meine körperlichen Vorzüge zu schätzen – Schönheit, die so peinsam, zwiespältig und verheerend sein kann. Was sie für eine Macht besitzt, weiß ich sehr gut, habe es über Hunderte von Jahren studiert. Doch diesmal, nach der Begegnung mit Alexander, war mir viel von meiner gewohnten Selbstsicherheit genommen. Ich kann mich nicht entsinnen, dass die Zeit sich schon einmal so quälend hingezogen hätte – zwei Tage, die ich seinem Anruf entgegenfieberte, kamen mir vor wie eine Ewigkeit. Schneckengleich krochen die Minuten aus der Zukunft in die Vergangenheit, ich saß vor dem Spiegel, betrachtete mein Konterfei und meditierte über die Schönheit.
    Ein Mann denkt sich oft: Da geht dieses Mädchen durch die Stadt im Frühlingserwachen, schenkt allen ihr Lächeln und weiß gar nicht, wie schön sie ist. Ein Gedanke, der sich unweigerlich in das Bestreben kehrt, diese Schönheit, die noch nichts von sich ahnt, weit unter Marktwert zu erwerben.
    Nichts könnte naiver sein. Der Mann kriegt es mit, und das Mädchen soll keine Ahnung davon haben? Das ist, wie wenn ein Bauer aus Nikolajewo seine Kuh verkauft hat und nach Moskau fährt, um sich dafür einen alten Shiguli zu kaufen. Kommt am Porsche-Salon vorbei, sieht durch die Scheibe den jugendlichen Verkäufer und denkt: Mensch, ist der aber noch jung … Vielleicht glaubt der ja noch, dass dieser orangene Boxster dort weniger als ein Shiguli kostet, weil er bloß zwei Türen hat? Ich kann ja mal reingehen und mit ihm reden, solange er grad allein bedient …
    Völlig klar, dass dieser Mann sich über die Maßen lächerlich macht, und sein Bemühen ist aussichtslos. Aber man muss die Sache nicht so trübe sehen. Es gibt für den Bauern aus Nikolajewo zwei Nachrichten, eine gute und eine schlechte:
     
    1. die schlechte: Unter dem Marktwert kriegt er gar nichts zu kaufen. Alles ist kalkuliert, alles einbedacht und abgeglichen. Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren.
    2. die gute: Dieser Marktwert liegt weit niedriger, als der Mann in seinem hormonellen Überschwang, potenziert durch Minderwertigkeitskomplex und Zweifel am Erfolg, glauben mag.
     
    Aus dem orangenen Boxster wird natürlich nichts – den kauft sich der gute alte Ministerialbeamte aus dem Referat für Sozialentwicklung. Aber für einen gebrauchten Audi könnte es durchaus reichen. Das Dumme ist nur: Der Mann bräuchte keinen Audi, sondern einen Traktor. Die Tragödie dieses Bauern (und aller übrigen Männer ebenso) besteht darin, dass sie unserer Schönheit nachlaufen, ohne deren Natur zu verstehen. Was über sie nicht schon alles gesagt worden ist: Eine unheimliche und furchtbare Sache sei sie, die noch dazu die Welt retten soll, und so weiter, und so fort. Begreiflicher wird sie dadurch nicht.
    Wir Werfüchse haben mit den schönsten Frauen gemein, dass wir von den Gefühlen, die wir hervorrufen, leben. Wobei die Frau sich von ihrem Instinkt leiten lässt, ein Werfuchs vom Verstand, und wo die Frau sich blind, im lichtlosen Raum bewegt, schreitet ein Werfuchs im hellen Licht des Tages stolz einher. Man muss übrigens zugeben, dass manche Frauen mit ihrer Rolle gut

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