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Das heilige Buch der Werwölfe

Das heilige Buch der Werwölfe

Titel: Das heilige Buch der Werwölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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war.
    »Hallo.«
    »Ada«, sagte er, »bist dus?«
    »Ada?«
    So hatte ich mich noch nie genannt, dessen war ich mir sicher.
    »Ich nenne dich von jetzt ab Ada«, sagte er. »Könnte doch gut die Verkleinerungsform von Adèle sein, nicht wahr?«
    Ada – das klingt im Russischen nach Hölle A genauso wie nach »Ah ja«. Aufregend war das! Am meisten wunderte mich, dass ich nicht schon selbst darauf gekommen war.
    »Tu das, wenn du magst«, sagte ich.
    Der Übergang vom Sie zum Du geschieht besser nebenher, ohne Aufhebens, denn die zugehörigen Rituale unterscheiden sich von Kultur zu Kultur beträchtlich, und alle kann man nicht im Gedächtnis behalten. Diese Regel hatte ich für mich vor ungefähr anderthalbtausend Jahren formuliert und war immer gut damit gefahren.
    »Ich möchte dich sehen«, sagte er.
    »Wann?«
    »Jetzt gleich.«
    »Na, na …«
    »Mein Auto wartet schon auf dich.«
    »Wo??«
    »Vor der Tribüne.«
    »Wie bitte? Woher weißt du, wo ich …«
    »Das war nicht schwer«, sagte er lachend. »Michalytsch fährt dich her.«
    Es klopfte laut an meine Tür.
    »Das ist er«, sagte Alexander im Hörer. »Ich warte auf dich, mein Röslein.«
    Er legte auf. Röslein!, dachte ich, na prima. Scheint mich für ein Gartengewächs zu halten. Das Klopfen an der Tür wiederholte sich, diesmal schon penetrant. So viel Entgegenkommen grenzte an Frechheit.
    »Adèle!«, ertönte die bekannte Stimme hinter der Tür. »Bist du da? Ich sehe es am Gerät, dass du da bist. He!«
    Er klopfte noch mal.
    »Was soll denn das Schild hier bedeuten? Betreten verboten! Lebensgefahr! … Bist du etwa …? Ist alles in Ordnung mit dir? Sag was! Sonst breche ich die Tür auf!«
    Idiot, schreit hier die Leute zusammen! dachte ich. Gut, um die Tageszeit ging es noch … Aber man musste nichts unnötig riskieren. Ich trat zur Tür.
    »Seien Sie leise, Wladimir Michailowitsch! Ich mach gleich auf, muss mir nur noch was anziehen.«
    »Ich warte.«
    Ich zog mich rasch an und ließ einen prüfenden Blick durch meine Behausung gehen – nichts Kompromittierendes schien herumzuliegen. Wie er mich bloß gefunden hatte? Beschattete er mich etwa?
    »Komme schon …«
    Michalytsch trat ein und zwinkerte eine Weile, um sich an das Halbdunkel zu gewöhnen. Dann äugte er umher.
    »Sag bloß, hier wohnst du?«
    »Na ja.«
    »Im Gasverteiler?!«
    »Das ist Quatsch. Steht nur draußen so dran, damit keiner auf dumme Gedanken kommt.«
    »Und was ist das hier sonst?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Na, jeder Raum hat doch seine Funktion. Wozu ist er da?«
    »Funktion, wenn ich das schon höre! Ich mag in keiner Funktion wohnen. Das ist ein leerer Raum unter der Tribüne, fertig. Zuerst war hier ein Lagerplatz. Dann haben sie Wände eingezogen, da kam eine kleine Trafostation rein, nur der Teil hier hat sie nicht interessiert. Natürlich musste ich ein paar Hebel in Bewegung setzen dafür…«
    Ich wedelte vielsagend mit der Hand durch die Luft. Gewedelt hatte ich damals freilich nicht mit der Hand, sondern mit dem Schweif, doch wollte ich Michalytsch gewiss nicht in alle Einzelheiten meines Leidensweges einweihen.
    »Hast du wenigstens Heizung?«, fragte er. »Aha, ich seh schon, elektrisch. Und wo ist die Toilette?«
    »Müssen Sie mal?«
    »Nein, nein, nur so aus Interesse.«
    »Durch den Flur. Dort ist auch eine Dusche.«
    »Und in dieser Hundehütte wohnst du?«
    »Wieso Hundehütte? Im Grundriss erinnert es an die Mansarden von Anwälten oder Polittechnologen. Ein Loft, so wie es grad modern ist. Schräge Decke, da laufen die Sitzreihen drüber. Ist doch romantisch!«
    »Und wie kommst du ohne Licht klar?«
    »Da unter der Decke die kleine Scheibe, sehen Sie? Das ist das Fenster. Wenn die Sonne hoch genug steht, fällt ein sehr schöner Strahl herein. Ansonsten kann ich im Dunkeln ganz gut sehen.«
    Er ließ noch einen Blick herumgehen.
    »In den Säcken ist dein ganzer Plunder?«
    »So kann man es auch nennen.«
    »Das Fahrrad gehört dir?«
    »Ja. Ein gutes, nebenbei gesagt. Scheibenbremsen, Carbonfasergabel …«
    »Hm. Und der Computer, ist der auch aus Carbonfaser?«
    »Sie werden lachen: Das ist er tatsächlich. Ein Vaio. Seltenes Modell, baut Sony nur für den japanischen Markt. Das leichteste Notebook der Welt.«
    »Alles klar. Deswegen darf es auf einem Pappkarton stehen statt auf einem Tisch, ja? Ist dir das nicht peinlich, wenn Besuch kommt?«
    Sein Ton begann mir auf die Nerven zu gehen.
    »Wissen Sie, Wladimir Michailowitsch, wenn ich

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