Das Herz der Dunkelheit: Psychothriller (German Edition)
zu ihr um, sah, dass sie weinte.
»Sag mir, dass das nicht wahr ist«, flehte sie.
»Ich wünschte, das könnte ich«, erwiderte Sam tonlos.
Grace stöhnte auf, und dann ging sie zu ihrer Schwester, kniete sich neben sie und ihre Söhne und den gestürzten Ehemann und Vater.
Und Sam ging auf Martinez zu.
138
15. September
Gestern Morgen stand eine neue Botschaft an Jerome Coopers Zellenwand gekritzelt.
Hauptsächlich war sie mit einer Metallschraube gekratzt worden.
Aber einige der Buchstaben schienen mit Blut geschrieben zu sein.
Seinem eigenen.
Im Gefängnis wusste man von der Neigung des Killers zur Selbstverstümmelung, aber bis vor Kurzem schien diese Gewohnheit zu schlummern.
Vor einer Weile hatte er wieder damit angefangen.
Er benutzte sein Blut gern als Tinte.
Hasste es, wenn sie es von den Wänden wuschen.
Der Wachmann, der die Botschaft gestern gesehen hatte, hatte gedacht, er sollte sie besser seinem Vorgesetzten zeigen, aber dann war irgendetwas dazwischengekommen, Ärger in einer anderen Zelle, und so war er erst gegen Ende des Tages dazu gekommen, es zu melden.
Der Killer hatte dasselbe Zeug siebenmal hingekratzt.
Cal der Hasser ist noch nicht fertig.
Und dann, ganz unten – und das war der Teil, den er mit Blut geschrieben hatte:
Sagt es Becket.
139
16. September
Jetzt war es an ihnen, Grace’ Schwester und ihren Söhnen zur Seite zu stehen, die auf die Insel gekommen waren, nachdem die Ermittler ihnen gesagt hatten, sie sollten den Tatort verlassen. Alle waren wie benommen, so eng aufeinander in diesem kleinen Haus, wo sie auf Sofas und auf Luftmatratzen auf dem Boden schliefen. Claudia, in Cathys altem Zimmer, wollte weder Beruhigungsmittel noch Trost annehmen.
Sie hatten Claudias Trauer in den letzten beiden Nächten durch die Wände gehört, hatten versucht, an sie heranzukommen, waren weggeschickt worden.
Es gab und würde keine Möglichkeit geben, sie oder die Jungen zu trösten, die wie verlorene Seelen vor sich hin starrten, noch immer fassungslos.
»Sie besteht darauf, dass sie alle morgen nach Hause fahren«, berichtete Grace ihrem Mann. »Sie sagt, Mike und Robbie bräuchten ihren Platz und ihre Sachen, und so hart es auch sein würde, Dan hätte zu viel in dieses Haus gesteckt, um ihm jetzt den Rücken zu kehren.«
»Wenn sie sich so fühlt«, nickte Sam verständnisvoll. »Und vielleicht hat sie ja recht.«
»Aber es wird mehr als hart werden. Und wenn sie uns nicht einmal bei sich haben will ...«
»Es wäre für dich zu sehr wie vorher«, hatte Claudia abgewunken.
»Aber jetzt geht es nicht um mich!«, hatte Grace entgegnet.
»Ich weiß. Aber ich habe die Jungs, und ich weiß, dass ihr immer für uns da sein werdet, wenn wir euch brauchen. Aber so wird das Leben von nun an eben sein, dann kann ich auch gleich damit anfangen.«
»Dieser sanfte, begabte, freundliche Mann«, sagte Grace spät am Donnerstagabend im Bett zu Sam. »Das ist so sinnlos.«
»Das ist es fast immer«, erwiderte Sam.
Sie lagen still da. Unten lief noch der Fernseher, die trauernden jungen Männer fanden vermutlich keinen Schlaf. In Cathys altem Zimmer herrschte Stille.
»Ich weiß, es würde nicht wirklich etwas ändern«, sprach Grace weiter, »aber ich wünschte, wir könnten wenigstens verstehen, warum Jones das getan hat. War er einfach nur verrückt?«
Matthew Harris Jones war der Name des Mannes mit der Kapuze, der Daniel Brownley erstochen hatte; seine Fingerabdrücke stimmten mit einem in Jacksonville geborenen kleinen Dieb überein.
»Vielleicht.«
Grace hörte den Unterton heraus. »Was?«
Er hatte ihr noch nichts von Coopers Blutbotschaft gesagt.
Jetzt erzählte er ihr davon.
»Du meinst, er war es?« Ihr Entsetzen war so groß, dass es wie Flutwasser durch sie hindurchzuströmen schien. »Der Penner gehörte zu ihm? Die ganze Zeit?« Sie setzte sich auf. »Aber Dan sagte doch, er sei in der Nachbarschaft schon bekannt gewesen, bevor sie ihr Haus bauten.«
»Noch weiß niemand, ob dieser Typ wirklich Jones war«, stellte Sam fest. »Es ist unwahrscheinlich, nehme ich an, aber nicht ausgeschlossen, dass Cooper oder vielleicht sogar Bianchi den alten Penner aus dem Weg geräumt und Matthew Jones an seine Stelle gesetzt hat.«
Zutiefst erschüttert, streckte sich Grace wieder aus und schwieg eine Weile.
»Aber das heißt doch«, sagte sie schließlich, »dass es einen von uns beiden hätte treffen sollen.«
»Nicht unbedingt.«
»Natürlich heißt es das! Er hat
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