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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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schwankten, die Decke neigte sich. Das Feuer ging als Sieger aus diesem Kampf hervor. An allen Ecken und Enden hatte es sich festgebissen und an der Substanz des Hauses genagt. Nun ergab sich das Gebäude in sein Schicksal.
    Noch immer in Ileanas Körper verkrallt, warf sich András nach hinten auf die Fensteröffnung zu. Für einen Moment verharrten die beiden Körper auf dem geschwärzten Fensterbrett, dann fielen sie, während mit ihnen das Gemäuer in sich zusammenstürzte.
    Noch einmal prallte András’ Körper auf dem Pflaster im Hof auf. Ileana kam auf ihm zu liegen, während um ihn herum das ganze Gebäude in sich zusammenfiel und beide mit glühendem Holz und Mauerbruchstücken bedeckte. András spürte seine Sinne schwinden. Nein! Er musste sich befreien. Rasch! Überall fraß sich das Feuer durch Kleider und Haut in sein Fleisch. Er spannte alle seine Muskeln an und richtete sich auf. Steine und Holz flogen in alle Richtungen. Und auch Ileanas Körper fiel von ihm und rollte auf ein brennendes Holzbrett. Noch einmal krachte es. András wankte zurück. Die letzten glühenden Trümmer häuften sich im Hof. Ein schwerer Stützbalken fiel auf die Vampirin, blieb über ihrem Leib liegen und drückte sie zu Boden.
    »Ileana?«
    András trat wieder näher, beugte sich vor und sah, dass sie ihn aus weit aufgerissenen Augen anstarrte. Der Griff des Stiletts, das ihr der Aufprall in den Leib gestoßen hatte, ragte aus ihrer Brust.
    »So geht es also zu Ende«, sagte er.
    Sie versuchte sich an einem Lachen, das aber eher wie ein Keuchen klang.
    »Ja, nun ist es mit uns beiden zu Ende. Kannst du es spüren? Die Sonne geht auf. Und es gibt hier keinen Platz, an dem du dich vor ihr verkriechen kannst. Nun werden auch dich die Flammen verzehren.«
    »Das ist wahr«, musste András zugeben. Seine Stimme klang fremd in seinen Ohren. Die Worte flossen wie zäher Honig. »Doch noch ehe mich die Strahlen erfassen, ist dein Körper bereits für alle Ewigkeit zu Asche zerfallen.«
    In seinen Ohren rauschte es. Der Schmerz wallte wie Wogen in seinem Körper auf und ab. Das Bild um ihn trübte sich ein. Oder war das nur der sich zusammenballende Rauch?
    András wandte sich ab. Sollte Ileana das Letzte sein, was er auf dieser Welt sah? Er stieg über die ausgezehrten Trümmer hinweg. Der vordere Teil des Hofes war noch zu erahnen, ein halber Torbogen ragte auf, sinnlos seiner Aufgabe beraubt. András spürte, wie seine Knie nachgaben, und so setzte er sich auf einen geschwärzten Stein. Hier würde er sitzen bleiben und sein Ende erwarten. Er schloss die Augen. Wie lange würde es dauern, bis die Strahlen der aufgehenden Sonne sich über die Ruinen erhoben?
    Er hörte das Wiehern von Pferden und dann eine helle Kinderstimme, die nach ihm rief.
    »András! András, wo bist du? Du musst fort von hier!«
    Welch süße Erinnerung. Sophie. War es ihm gelungen, wenigstens sie zu retten? Das Pferd schnaubte.
    »András, oh bitte, sag etwas! Ich weiß, das du hier irgendwo bist.«
    Der Vampir riss die Augen auf. Sie war hier. Er konnte sie wirklich hören. Sie und die Rappen. Aber wie war das möglich? Hatte er sie nicht fortgeschickt?
    Es kostete ihn all die Kraft seines Geistes und seines Körpers, sich hochzustemmen und durch das halb eingerissene Tor zu wanken. Er blinzelte. Wie durch roten Nebel sah er das Kind, das auf Satyrs Rücken saß, die anderen drei Pferde noch an ihn geschirrt. Und da stand auch noch die Kutsche, auf die das Feuer, wie durch ein Wunder, nicht übergegriffen hatte.
    András humpelte auf die Vision zu. Satyr begrüßte ihn mit einem freudigen Wiehern.
    »Da bist du ja endlich!«, schluchzte das Kind. »Komm schnell. Alles bricht zusammen. Ich kann kaum mehr atmen. Die Hitze und der Rauch!«
    Sophie ließ sich in seine Arme fallen und warf ihn fast um.
    András blinzelte. Das Kind, die Pferde, die Kutsche. Sollte es wirklich möglich sein? Er hatte sich mit seinem Ende bereits abgefunden. Wie lange blieb ihm noch? Wie viel Kraft konnte er aufbringen, der Sonne zu widerstehen?
    »András, ich brauche dich. Mir sind nichts und niemand mehr geblieben«, weinte Sophie. »Ich kann nicht auch noch dich verlieren. Lieber bleibe ich hier und sterbe mit dir zusammen.«
    »Rede keinen Unsinn!«, sagte er so streng wie möglich und hob sie wieder auf Satyrs Rücken. »Warte, bis ich die Kutsche angehängt habe. Halte dich fest, und dann hoffe mit mir, dass die Pferde noch einen Weg finden, der breit genug ist, der Hölle

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