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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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dunkel!«
    »Das sehe ich. Hältst du mich für blind?«, fuhr die Dame den jungen Mann an, der sich hinter ihr auf dem schmalen Sitz ihres Phaetons festklammerte, heldenhaft darum bemüht, den neutralen Gesichtsausdruck zu wahren, wie es sich für einen Groom gehörte, der seine Herrschaft auf einer Ausfahrt begleitete. Als die Dame jedoch die Peitsche über den vier feurigen Füchsen schwang und die Tiere nacheinander in Galopp fielen, so dass die Kutsche gefährlich zu schlingern begann, stand in seiner Miene nur noch nackte Angst.
    »Durchlaucht!«
    Es war eines dieser leichten Gefährte, die in England bei den jungen, sportlichen Gentlemen beliebt waren.
    »Was ist?«, rief die Dame ungehalten, während sie sich mit der langen Peitsche mühte, das linke Vorauspferd dazu zu bewegen, seinen Schritt dem der anderen anzugleichen. Die Dame, genauer gesagt Fürstin Therese Josepha Kinsky, eine geborene Gräfin von Freudenthal, fluchte leise, als die Spitze ihrer Peitsche das falsche Pferd berührte und dieses mit einem Satz die hochrädrige Kutsche erneut ins Schwanken brachte. Der Pferdeknecht stieß einen Schrei aus und suchte nach einem besseren Halt, doch der schmale Sitz ohne Geländer hatte nicht viel zu bieten.
    »Lassen Sie uns umkehren«, flehte er. »Es ist noch ein weiter Weg durch die Hauptallee zurück. Es wird schnell dunkel, und außer uns scheint niemand mehr im Prater unterwegs zu sein.«
    »Deshalb habe ich diese Zeit ja gewählt, Dummkopf«, gab die Fürstin unwirsch zurück. »Diese vier Füchse passen wundervoll zusammen. Es war ein guter Kauf, auch wenn sie noch ein wenig ungestüm sind und sich erst aufeinander einstellen müssen. Es sind ganz prachtvolle Tiere! Mit meinem neuen Phaeton werde ich bei der Osterfahrt Aufsehen erregen, aber nur, wenn ich bis dahin das Gespann mit sicherer Hand zu lenken verstehe! Glaubst du, ich will mich zum Gespött der Gesellschaft und des Volkes machen? Daher muss ich die Zeit nutzen, die mir bleibt, ohne Zuschauer zu üben und meine Fahrkünste zu perfektionieren. Wann sonst, als an einem Winterabend, ist die Praterallee einmal verlassen?«
    »Und wenn Sie einen Unfall erleiden?«, wagte der Groom zu widersprechen. »Das wäre dem Fürsten nicht recht«, fügte er mutig hinzu.
    Seine Herrin schnaubte durch die Nase. »Dem Fürsten!«, sagte sie, hielt dann aber inne. Dass es ihr egal war, was ihr Gatte für gut befand und was er über ihre Vorhaben dachte, ging den Groom nichts an. Die Dienstboten klatschten ohnehin schon genug, da musste sie ihnen nicht noch Wasser für das Geklapper ihrer Mühlen liefern.
    Bei dem Gedanken an ihren Gatten kniff Therese missmutig die Lippen zusammen. Er scherte sich nicht um Konventionen – soweit sie ihn selbst betrafen – und auch nicht um Höflichkeit. Warum sollte sie Rücksicht nehmen? Oh ja, sie kannte seine Antwort, ohne dass sie sie hören musste. Er war ein Mann, ein Fürst des alten, böhmischen, hoffähigen Adels, noch dazu mit einem stattlichen Vermögen, der es sich wohl leisten konnte, zu tun und zu lassen, was ihm beliebte. Es stand weder dem Volk noch der Gesellschaft an, über sein Verhalten zu urteilen. Sie jedoch war eine Frau. Ob Fürstin oder nicht, das war in diesem Fall unerheblich. Nichts war unangenehmer als eine Frau, die einen Skandal heraufbeschwor. Und nichts hasste der Fürst mehr als die Unannehmlichkeiten eines Skandals – zumindest wenn sie sein eigenes Haus betrafen. Ansonsten taugten Skandale durchaus, Langeweile zu vertreiben, und als amüsanter Gesprächsstoff für eine abendliche Gesellschaft.
    Etwas riss sie abrupt aus ihren unerfreulichen Gedanken. Ein großer Schatten, der zwischen den Kastanienbäumen entlanghuschte. Was war das?
    Anscheinend hatte nicht nur die Fürstin den Schatten erspäht. Die Pferde wieherten erschreckt auf. Unwillkürlich zog Therese die beiden Zügelpaare an, von denen sie eines in der Rechten, das andere in der Linken hielt. Der plötzliche Ruck brachte das Gespann noch mehr durcheinander. Die vorderen Pferde bäumten sich auf, die Lederriemen des Geschirrs ächzten.
    Der Groomstieß einen warnenden Schrei aus, aber das Unglück nahm bereits seinen Lauf. Obwohl die Fürstin ihren Fehler sofort erkannte, war es schon zu spät. Der huschende Schatten und der unvermittelte Ruck ließen bei den Pferden nur noch die Reaktion zu, die ihr Instinkt ihnen eingab: Und dieser befahl blinde Flucht vor der drohenden Gefahr.
    Die vier Füchse rasten die Praterhauptallee

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