Steirerherz
Kapitel 1
Freitag, 26. August
»Zwischen Krottendorf und Ligist … Ja, ich kenne die Straße. Wir sollten in einer halben bis
dreiviertel Stunde dort eintreffen. Pfiat di, Lubensky.« Abteilungsinspektorin Sandra
Mohr beendete ihr morgendliches Telefongespräch mit der Einsatzzentrale des Landespolizeikommandos
Steiermark, ehe sie das Handy in die Halterung der Freisprecheinrichtung steckte
und den silbergrauen VW Passat startete. Als Nächstes würde sie ihren Partner abholen
und die Stadt verlassen. Hoffentlich noch, bevor der Morgenverkehr einsetzte. Die
sommerlichen Baustellen sorgten noch immer für nervenaufreibende Verkehrsverzögerungen
auf dem Grazer Joanneumring und auf der A2, die sie nehmen musste, um zum Einsatzort
in der Weststeiermark zu gelangen. Vor allem in der Landeshauptstadt war es selbst
mit Blaulicht mühsam, sich durch den Stau zu quälen, waren die Straßen erst einmal
verstopft.
Als Sandra
Mohr den zivilen Dienstwagen in die Sterngasse lenkte, sah sie den Kollegen bereits
auf dem Gehsteig warten. In der linken Hand hielt Sascha Bergmann den obligaten
Pappbecher mit Kaffee, mit der Rechten zündete er sich eben eine Zigarette an. Sandra
bremste den Wagen direkt neben dem Chefinspektor ab und ließ das Fenster auf der
Beifahrerseite hinunter, während er seelenruhig einen Schluck Kaffee nahm, um hernach
noch genussvoll an seiner Zigarette zu ziehen.
»Jetzt steig
schon ein, Sascha!«, drängte sie ihn.
»Ich wünsche
dir auch einen wunderschönen guten Morgen, Liebling«, säuselte Bergmann übertrieben
freundlich und schnippte die Zigarette mit zwei Fingern ins Kanalgitter. Dann stieg
er endlich in den Wagen.
Sandra gab
Gas und fuhr in Richtung Stadtausfahrt. »Ich dachte, du hättest dir das Rauchen
ein für alle Mal abgewöhnt«, rügte sie ihn.
»Offensichtlich hab ich wieder damit
angefangen«, meinte er lakonisch und schnallte sich an. »Und? Welche Leiche hat
es denn heute so eilig?«, lenkte er das Thema in berufliche Bahnen.
Sandra seufzte. Die Tote, die nach
Sonnenaufgang auf dem Acker ihrer Eltern aufgefunden worden war, war gerade einmal
19 Jahre alt gewesen, hatte ihr Lubensky soeben berichtet. Sandra wusste auch, dass
die Kollegen von der Polizeiinspektion Krottendorf-Gaisfeld den Einsatzort bereits
abgesperrt hatten und die Spurensicherung unterwegs war. » Wir haben es eilig,
nicht die Leiche. Wegen dieser Scheißbaustellen«, echauffierte sie sich und wechselte
zügig die Spur.
»Wer wurde denn ermordet? Und wie?«,
wollte Bergmann wissen.
»Eine junge Frau. Lubensky hat von
einem möglichen Ritualmord gesprochen. Die zuständigen Kollegen sind komplett überlastet,
deshalb haben sie gleich uns verständigt«, erklärte Sandra. »Als ob wir im LKA nicht
auch genug zu tun hätten«, setzte sie hinzu und seufzte erneut.
»Ein Ritualmord? Interessant. Und
wer ist das Opfer?«
»Die Tochter eines Landwirts. Valentina
Drimmel … Trimmel oder so ähnlich«, versuchte sich Sandra den Namen der Ermordeten
ins Gedächtnis zu rufen.
»Vielleicht auch Pimmel oder Bimmel?
Wie wär’s mit einem Telefonjoker, Frau Mohr?«, meinte Bergmann mit süffisantem Grinsen.
»Sascha, bitte! Ich steh nicht auf
dumme Scherze in aller Herrgottsfrüh. Schon gar nicht, wenn sie auf Kosten des Opfers
gehen. Das solltest du eigentlich längst wissen«, ermahnte sie ihn.
Sandra Mohr und Sascha Bergmann
arbeiteten nunmehr seit einem Jahr zusammen, was Sandra anfangs gehörig gegen den
Strich gegangen war. An den schrägen, oft schwarzen Humor des Wieners, der sich
aus privaten Gründen nach Graz versetzen hatte lassen und ausgerechnet ihr vor die
Nase gesetzt worden war, hatte sie sich noch immer nicht so recht gewöhnt. Obwohl
Bergmann sie doch ab und zu zum Lachen brachte. Inzwischen waren die beiden sogar
ein richtig gutes Team geworden. Zumindest, was das Berufliche betraf. Dass der
Chefinspektor, der privat nichts anbrennen ließ, zu Beginn auch in sie verknallt
gewesen war, hatte Sandra mittlerweile erfolgreich verdrängt. Sein erotisch-romantisches
Interesse an ihr war damals ziemlich rasch erkaltet, was ihr nur sehr recht gewesen
war. Nicht, dass der 37-Jährige kein attraktiver Mann gewesen wäre, aber ihr Typ
war er eben nicht. Um Hallodris wie ihn machte sie seit jeher einen großen Bogen.
Und Liebe am Arbeitsplatz führte in den meisten Fällen ohnehin nur zu Problemen.
»Was lässt die Kollegen denn vermuten,
dass wir es mit einem Ritualmord zu tun haben?«, fragte
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