Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
VORWORT
Jupp Heynckes
Für einen Trainer in den achtziger Jahren war das Alltag. Dass mehr oder weniger bekannte Gesichter auf dem Vereinsgelände auftauchten, einen zur Seite nahmen und einem zuraunten: »Ich hab da ein echtes Talent für dich. Schau ihn dir doch mal im Training an.« So war es auch 1980, als mich nach dem Training ein Bekannter von einem jungen Kerl namens Uli Borowka ansprach und um ein Probetraining bat. Ich willigte ein und lernte Uli kennen. Ein Kraftpaket, das beim ersten Schusstraining die Bälle über den Fangzaun jagte, aber sonst doch eher ungeschliffen wirkte. Einige Tage lang schaute ich mir den Jungen an, dann sagte ich ihm: »Nun kannst du auch hier bleiben!« Uli hatte etwas, das mich nachhaltig beeindruckte. Es war weniger Talent als vielmehr eine unglaubliche Portion Willensstärke, Ehrgeiz und Disziplin. Uli sollte mich in den folgenden Jahren nicht enttäuschen. Schon im ersten Trainingslager war er einfach nicht kleinzukriegen. Ich habe wenige Fußballer in meiner Karriere gesehen, die so hart und unerbittlich arbeiten konnten wie Uli Borowka. Gleichzeitig blieb er immer der freundliche und nette Junge aus Hemer, der stets den Schalk im Nacken hatte.
Er entwickelte sich zum Prototyp eines Fußballers, der fehlendes Talent mit Fleiß und Ehrgeiz ausgleicht und damit Erfolg hat. Ein Kämpfer, ein Arbeiter. Aber auch jemand, der die Brüche des Lebens erfahren musste. Schon als junger Fußballer musste er aufpassen, durch den plötzlichen Ruhm nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren. Wie viele andere vor und nach ihm war er empfänglich für die Vorzüge des Lebens als prominenter Fußballer. Doch letztlich hat er sich auch dagegen erfolgreich gewehrt. Nach meinem Wechsel 1987 zum FC Bayern verloren wir uns aus den Augen, Uli ging zu Werder Bremen, wurde Nationalspieler, Deutscher Meister und Europapokalsieger. Ich habe mich stets aus der Ferne für seine so erfolgreiche Karriere gefreut. Als ihn die Alkoholabhängigkeit fast komplett aus der Bahn geworfen hätte, arbeitete ich gerade als Trainer in Spanien und Portugal. Erst nach seiner erfolgreichen Therapie erfuhr ich von seinem Kampf gegen die Sucht. Typisch Uli: So mutig und unerschrocken wie er auf dem Fußballplatz seinen Gegenspielern gegenübertrat, hat er auch den Kampf gegen die Abhängigkeit aufgenommen. Dass er diesen Kampf bis heute erfolgreich bestreitet, spricht für Ulis Charakter und einen Willen, der sprichwörtlich Berge versetzen kann.
Ulis Biografie ist auch ein Beispiel dafür, dass es im Leben vor allem darauf ankommt, nie aufzugeben, nie zu resignieren, den Kampf immer anzunehmen. Egal wie übermächtig der Gegner auch wirkt. Ich habe in meinem Leben viele Menschen kennengelernt, die auf halber Strecke aufgegeben haben. Uli gehört nicht dazu. Er war ein Nobody, der sich ganz nach oben gearbeitet hat, abgestürzt ist und sich doch wieder aufgerappelt hat. Ein feiner Kerl. Ich denke zurück an 1980 und unsere erste Begegnung auf den Trainingsplätzen von Borussia Mönchengladbach. Und daran, dass ich damals eine gute Entscheidung getroffen habe.
EINLEITUNG
Alex Raack
Wir trafen uns das erste Mal im Frühjahr 2011. Für ein Interview in der 11FREUNDE-Reihe »Der Fußball, mein Leben und ich« hatte mein Kollege Dirk Gieselmann ein Treffen in einer Kneipe in Berlin-Friedrichshain vereinbart. In einer Kneipe. Mit Uli Borowka. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Die typischen Vorurteile und Unsicherheiten im Umgang mit Alkoholikern. Was ich von Uli Borowka hielt, das wusste ich. Als Fan von Werder Bremen war mir der »Eisenfuß« natürlich ein Begriff. Ein kantiger Verteidiger, der lieber die einfache Grätsche wählte als einen komplizierten Doppelpass. Der den Gegenspielern Angst machte und damit seinen Fans das sichere Gefühl gab, den Härtesten der Harten auf ihrer Seite zu haben. Der Fan in mir wollte genau das hören: Die Kloppergeschichten, die legendären Zweikämpfe mit den Urviechern der achtziger und neunziger Jahre, Heldengeschichten, die nach Schweiß und ein bisschen Blut schmecken. Der Journalist wollte das natürlich auch, aber vor allem den trockenen Alkoholiker kennenlernen, der davon berichtet, wie man sich in der Nacht dem Suff hingeben und am anderen Morgen ein Bundesligaspiel bestreiten kann. Normalerweise sprechen Fußballer nicht über solche Sachen.
Nach dem etwa 90-minütigen Interview waren mein Kollege und ich wie erschlagen. Uns war sofort klar: das eben
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