Das Herz des Südens
Mademoiselle.«
Sie hatte recht gehabt. Er hatte zu viel verlangt, und sie war schlau genug gewesen, ihm auf die Schliche zu kommen. Grand-mère würde sich freuen. Josie öffnete die Geldbörse und blickte auf die kleine Sammlung der verschiedensten Münzen: eine verwirrende Mischung aus englischen Schillingen, russischen Kopeken und verschiedenen spanischen Geldstücken. Sie suchte ein wenig herum, bis sie die Picayunes gefunden hatte, dann zählte sie die Münzen dem jungen Mann in die Hand. Es war eine schwielige Hand, aber die Finger waren lang und schlank. Als er das Geld entgegennahm, strich er kurz mit seinem Daumen an ihrer Hand entlang, und sie spürte, wie sie zusammenzuckte.
»Merci, Mademoiselle«, sagte er, tippte an seinen Hut, sah Josie noch einmal tief in die Augen und ließ den Blick dann über Cleo wandern, bevor er zu seinem Wagen schlenderte.
Der junge Cajun war kaum außer Sicht, als die beiden Mädchen sich kichernd aneinanderlehnten, die Hand über den Mund gelegt. Josie seufzte tief. »Ich habe gedacht, ich kriege keine Luft mehr. Hast du diese Augen gesehen?«
Cleo lächelte breit und fächelte sich mit einem Taschentuch gespielt Luft zu. »Ein Kind des Teufels, so gut wie der aussieht.«
»Ich hätte ihn nach seinem Namen fragen sollen«, gab Josie zurück.
Grand-mère erschien aus dem Schatten des Souterrains. Josie und Cleo ließen die Hände sinken und standen ruhig da. »Er heißt Phanor. Phanor DeBlieux. Und er ist Akadier.«
Josie warf Cleo einen Blick zu. Sie hatten Grand-mères Ausführungen über Cajuns schon einmal gehört: Sie lebten nach vier oder fünf Generationen in Louisiana immer noch in den Sümpfen, interessierten sich mehr für den Tanz am Samstagabend und die Fischerei als für harte Arbeit. Und sie brachten es einfach zu nichts.
»Aus guter akadischer Familie«, fügte Josies Großmutter hinzu, »aber eben ein Akadier. Das solltest du im Kopf behalten, wenn du den Sohn von Monsieur DeBlieux so sehr bewunderst. Was hast du denn gekauft?«
Josie hob den Korb hoch und zog das Tuch zur Seite. »Palmherzen, Grand-mère. Einen ganzen Korb voll, für nur fünfzehn Picayunes.«
Der Blick ihrer Großmutter ließ sie förmlich einschrumpfen. »Wie viel hat er verlangt?«
»Zwanzig Picayunes. Du siehst, ich habe hart verhandelt, Grand-mère.«
»Und wie viele von den Palmherzen wirst du heute Abend essen?«
»Eins, aber …«
»Und wie viele Leute werden heute Abend am Tisch sitzen?«
»Nun, Maman, Papa, du und …«
»Du wirst nach dem Abendessen Louella in der Küche helfen. Sie muss die Palmherzen einmachen, damit sie nicht verderben. Bis dahin sollten wir wohl einen Blick in unsere Hauptbücher werfen, um festzustellen, wie viel wir Monsieur DeBlieux bisher für Palmherzen bezahlt haben.«
Josie folgte ihrer Großmutter ins Haus. Schon jetzt zählte sie die Minuten, bis sie entlassen würde. Das Lesen der Rechnungsbücher fiel ihr leicht, sie konnte sogar ganz gut kopfrechnen, nur die winzigen Ziffern, die ihre Großmutter schrieb, machten ihr Mühe. »Die Ausgaben schwanken je nach Jahreszeit«, sagte Grand-mère jetzt. »Das musst du bei deiner Jahresplanung berücksichtigen.«
Was Josie an den Hauptbüchern wirklich hasste, war die Beschäftigung mit den alltäglichen Notwendigkeiten. Auch dazu war sie durchaus in der Lage, wenn sie musste, aber viel lieber blickte sie dem Fluss nach, der träge Richtung New Orleans strömte. Da war sie wie ihr Vater. Auch die Arbeit im Küchenhaus machte ihr Freude. Im nächsten Leben würde sie Köchin, dachte sie oft. Sie fragte sich, ob die Palmherzen wohl gut schmecken würden, wenn man sie mit ein wenig Butter und Rosmarin in der Pfanne schmorte.
Der schwere Duft der Sommerrosen wehte zum offenen Fenster herein. Von ihrem Platz neben Grand-mère konnte Josie die Kletterrose sehen, die die Gartenlaube in eine tiefrote Decke einhüllte.
»Josephine!«
Josie zuckte zusammen.
»Du musst aufpassen, Josephine.« Grand-mère wurde ungeduldig und ein wenig boshaft. »Im Gegensatz zu deinem Vater wirst du nicht den Luxus haben, dich auf jemand anderen verlassen zu können, der Toulouse für dich führt.«
»Es tut mir leid, Grand-mère.«
Zur Mittagszeit entließ Grand-mère Josie, damit sie ihrer Mutter beim Umziehen helfen konnte. Bei früheren Schwangerschaften war Maman immer von Übelkeit befallen worden, und der Geruch von Speck oder eingemachtem Gemüse widerte sie an. Diesmal blieben diese Symptome aus, ein
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