Das Herz des Südens
gutes Zeichen, vielleicht würde sie das Kind diesmal endlich behalten dürfen. Appetit hatte sie freilich nicht. Ihr Bauch wurde immer dicker, und ihre Füße schwollen an, sodass sie nur noch mühsam laufen konnte, aber ihr Gesicht wurde immer dünner, als wäre sie vollkommen ausgezehrt.
Die anderen waren noch nicht im Speisezimmer eingetroffen. Bibi füllte die Wassergläser, als Josie hinter ihrer Mutter stand, um ihr den Stuhl an den Tisch zu rücken. Mit einem seltsamen Stöhnen schwankte Maman und griff Hilfe suchend nach der Tischkante.
»Maman …« Josie schob den Stuhl zur Seite und hielt ihre Mutter am Arm fest, doch das ungewohnte Gewicht brachte sie ins Straucheln. Bibi eilte zur Hilfe, und dieses eine Mal schob Maman sie nicht weg. Mit vereinten Kräften halfen Josie und Bibi ihr beim Setzen. Bibi tauchte eine Serviette in ein Wasserglas und tupfte ihr das Gesicht ab.
Josie holte den Schemel aus der Ecke. Sie wollte die Füße ihrer Mutter hochstellen, als etwas Warmes, Feuchtes sie innehalten ließ. Hastig zog sie die Hand zurück – Blut! Sie zog die Röcke ihrer Mutter zur Seite – das Blut strömte nur so an den Beinen entlang.
Josie blickte Bibi an. Ihre großen Augen waren Warnsignal genug, und Bibi erblickte den wachsenden roten Fleck unter dem Stuhl. »Hol deinen Vater«, sagte sie zu Josie.
Papa eilte ins Zimmer, hob Maman auf seine Arme und trug sie ins Schlafzimmer. »Bibi, hol die Hebamme«, sagte er über seine Schulter.
Josie wollte ihm folgen, aber ihr Vater sagte: »Nein, Kind, das ist nichts für dich. Sag deiner Großmutter, sie soll Dr. Benet holen lassen.« Er begann, ihrer Mutter Kissen unterzulegen, damit ihre Hüfte erhöht lag. »Beeil dich!«, rief er ihr zu.
Während Josie in den Stall rannte, um Ellbogen-John zu holen, schrieb Grand-mère ihm einen Passierschein, damit er die Plantage verlassen konnte. Unten an der Hintertreppe traf sie mit Josie und John zusammen.
»Sobald du Dr. Benet informiert hast, gehst du weiter nach Vacherie und holst Pater Philippe, John.« Sie reichte ihm drei gefaltete Zettel. »Der hier mit dem gekrümmten Arm darauf ist dein Passierschein. Dieser hier ist für den Priester, siehst du das Kreuz?«
Den Priester? Dann musste Maman in Lebensgefahr sein! Josie bekreuzigte sich und suchte in ihrer Tasche nach dem Rosenkranz.
Grand-mère reichte John den dritten Zettel. »Der hier ist für Dr. Benet, mit der Medizinflasche in der Ecke.«
»Ja, ich hab’s gesehen. Ich werde mit dem alten Maultier so schnell machen, wie ich kann.«
Josie folgte Grand-mère ins Haus, wobei sie sorgfältig darauf achtete, den Weihwasserkessel an der Haustür zu berühren. Doch an der Schwelle zum Zimmer ihrer Mutter hielt Grand-mère sie auf. »Bitte …«, flehte Josie, aber ihre Großmutter schüttelte den Kopf und schloss die Tür.
Josie legte das Ohr an die Tür. »Du stehst hier nur im Weg, mein Sohn«, sagte ihre Großmutter gerade. »Lass uns allein.«
Als Papa die Tür öffnete, sah Josie, dass die alte Hebamme aus den Unterkünften schon bei ihrer Mutter war. Seit dreißig Jahren hatte Ursuline den meisten Kindern auf der Plantage ins Leben geholfen. Sie konnte die Blutung sicher stillen, bevor der Doktor kam.
Papas Gesicht war sehr bleich, und seine Hände zitterten, als er Josies Hand nahm. »Ich fürchte, sie wird auch dieses Kind verlieren«, sagte er leise.
»Es tut mir so leid, Papa. Ich weiß doch, du wünschst dir einen Sohn.«
Er nahm sie in die Arme und hielt sie einen Moment ganz fest. Dann sagte er: »Komm mit auf den Balkon, wir warten auf Dr. Benet«, und ging voran. Josie ließ den Rosenkranz durch ihre Finger laufen, immer wieder, um ein bisschen Trost zu finden, aber sie war mit den Gedanken weit von dem Gebet entfernt. »Willst du dich nicht setzen, Papa?«, fragte sie schließlich. »Es wird doch sicher noch eine Weile dauern.«
Er schüttelte den Kopf. »Geh und sprich mit deiner Großmutter.«
»Sie lässt mich doch nicht rein!«
»Frag sie nur, ob die Blutung aufgehört hat.«
Als Josie zurückkam, konnte sie berichten, dass Ursuline die Blutung gestoppt hatte. Aber ihr Vater nahm den Blick nicht von der Straße am Fluss entlang, wo irgendwann die Staubwolke von Dr. Benets Wagen auftauchen würde. Wenn der Arzt bei einem anderen Patienten war, konnte es Stunden dauern, bis Ellbogen-John ihn auch nur fand.
Der Tag schleppte sich weiter, und ihr Vater wurde immer ungeduldiger. Er lief im Zimmer auf und ab, dann setzte
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