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Das Herz Des Winters

Das Herz Des Winters

Titel: Das Herz Des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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überzeugt, dass es Flüche waren -, aber ihr Tonfall reichte aus, um ihm klarzumachen, dass sie nicht gehen würden, es sei denn, er schleppte sie mit Gewalt fort. Nun, es gab ein oder zwei Dinge, nach denen er sich in der Zwischenzeit erkundigen konnte. »Was sagen die Leute? Über den Palast?«
    »Was man erwarten konnte«, antwortete Lord Dobraine hinter ihm mit ruhiger Geduld, so wie er auch alle anderen Fragen beantwortet hatte. Selbst wenn er mangelndes Wissen zugeben musste, hatte sich sein Tonfall nicht verändert. »Einige sagen, die Verlorenen hätten Euch angegriffen, oder die Aes Sedai. Diejenigen, die der Überzeugung sind, Ihr hättet dem Amyrlin-Sitz die Treue geschworen, ziehen die Verlorenen vor. Wie dem auch sei, es wird heftig darüber diskutiert, ob Ihr tot, entführt oder geflohen seid. Die meisten glauben, dass Ihr noch unter den Lebenden weilt, an welchem Ort auch immer, oder zumindest sagen sie das. Einige, wie ich fürchte, eine ganze Menge, glauben ...« Er verstummte.
    »Dass ich wahnsinnig geworden bin«, vollendete Rand für ihn den Satz in dem gleichen ruhigen Tonfall. Das war keine Sache, derentwegen man sich Sorgen machen musste. »Dass ich selbst einen Teil des Palasts zerstört habe?« Er würde die Toten nicht erwähnen. Es waren weniger als bei anderen Gelegenheiten, an anderen Orten, aber es waren genug, und einige der Namen kamen ihm jedes Mal in den Sinn, wenn er die Augen schloss. Auf dem Hof kletterte einer der Männer vom Wagen, aber der Kahlkopf packte ihn beim Arm und stieß ihn wieder hinauf, dann ließ er sich von ihm zeigen, was er gemacht hatte. Auf der anderen Seite sprang ein Mann unvorsichtig zu Boden und rutschte aus, und der Kahlkopf ließ den ersten los, um sogleich um den Wagen zu eilen und den Abgesprungenen dazu zu bringen, mit ihm zusammen wieder hinaufzuklettern. Was beim Licht taten sie da bloß? Rand warf einen Blick über die Schulter. »Sie liegen gar nicht mal weit daneben.«
    Dobraine Taborwin, ein kleiner Mann, dessen Kopf an der Vorderseite glatt geschoren und auf formelle Weise gepudert war, während der Rest seines Haars beinahe vollständig ergraut war, erwiderte den Blick mit dunklen, teilnahmslosen Augen. Er war kein an sehnlicher Mann. Blaue und weiße Streifen zierten die Vorderseite seines dunklen Samtmantels vom Hals bis fast zu den Knien. Sein Siegelring war ein Rubin, am Kragen trug er noch einen, der nicht viel größer war; für einen Cairhiener war das beinahe schon extravagant. Er war der Hohe Herr seines Hauses und hatte mehr Schlachten erlebt als die meisten, und es gab nicht viel, das ihn ängstigte. Das hatte er bei den Quellen von Dumai bewiesen.
    Anderseits, die kräftig gebaute, langsam grau werdende Frau, die neben ihm geduldig darauf wartete, dass sie an die Reihe kam, schien genauso furchtlos zu sein. Idrien Tarsins Kleidung stand im scharfen Kontrast zu Dobraines adliger Eleganz, ihr schmuckloses braunes Wollgewand hätte auch zu einer einfachen Ladenbesitzerin gepasst. Dennoch hatte sie ihren eigenen Quell der Würde und Autorität. Idrien war die Vorsteherin der Akademie; diesen Titel hatte sie sich selbst verliehen, da die meisten der Gelehrten und Mechaniker sich Meister von diesem oder Herrin von jenem nannten. Sie führte die Schule mit fester Hand und glaubte an praktische Dinge wie neue Methoden zur Straßenpflasterung oder Kleidungsfärbemittel, Verbesserungen in Mühlen und Gießereien. Außerdem glaubte sie an den Wiedergeborenen Drachen. Ob das nun vernünftig war oder nicht, auf jeden Fall war es pragmatisch, und damit würde er sich zufrieden geben.
    Er wandte sich wieder dem Fenster zu und wischte das Glas an der gleichen Stelle frei. Vielleicht sollte mit der Konstruktion ja Wasser erhitzt werden - einige der Eimer schienen noch immer Wasser zu enthalten; in Schienar benutzte man große Kessel, um Badewasser zu erhitzen -, aber warum auf einem Wagen? »Ist seit meinem Weggang jemand plötzlich verschwunden? Oder unerwartet eingetroffen?«
    Er rechnete nicht damit, jedenfalls nicht mit jemandem, der irgendwie wichtig für ihn war. Bei all den Brieftauben der Kaufleute und den Augen-und-Ohren der Weißen Burg und von Mazrim Taim - er durfte Taim nicht vergessen; der Name ließ Lews Therin wortlos knurren -, bei all den Brieftauben und Spionen und schnatternden Mündern würde in ein paar Tagen die ganze Welt wissen, dass er aus Cairhien verschwunden war. Die ganze Welt, die im Augenblick von Bedeutung war.

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