Das Höllenschiff: Historischer Kriminalroman
was die Qualität des Branntweins betraf, nicht übertrieben.
»Mein Kompliment, Sir.« Lasseur leckte sich anerkennend die Lippen. »Sie haben einen ausgezeichneten Geschmack.«
Gideon nahm einen weiteren Schluck, schmatzte genießerisch und zwinkerte vertraulich. »Die kleinen Vergünstigungen, die dieser Job so mit sich bringt. Ganz abgesehen von dem Vergnügen, den Zoll an der Nase herumzuführen.« Das wettergegerbte Gesicht wurde plötzlich ernst.
»Was glauben Sie, was das vorhin war?«, fragte Hawkwood, als hätte er die Gedanken des Captains gelesen.
Der zuckte die Schultern. »Sieht aus, als ob irgendein Schuft ihnen einen Hinweis gegeben hat. Wir können von Glück sagen, dass kein ganzer Kutter involviert war. Wenn diese Ware verloren ist, holen wir das beim nächsten Mal wieder auf. Wir sind im Vorteil. So eine lange Küste … und längst nicht genug Zollbeamte.
»Sie denken, Abraham und seine Leute sind davon gekommen?«
»Wahrscheinlich. Abraham ist ziemlich gerissen. Wenn hier jemand fertiggemacht worden ist, dann war es der Zoll. Die könnten doch nicht mal ein Scheunentor aus einem Fuß Entfernung treffen. Und selbst wenn Abraham und seine Leute festgenommen werden, kommt nichts dabei heraus. Es kommt nie etwas dabei heraus.«
»Warum nicht?«, fragte Hawkwood.
»Weil der Amtsrichter einer von uns ist.«
Lasseur zwinkerte ungläubig.
»Was glauben Sie denn, wodurch Abraham gewusst hat, dass wir auf dem Weg sind?«, sagte Gideon.
»Er hat Ihr Signal gesehen«, sagte Hawkwood.
Gideon schüttelte den Kopf. »Damit haben wir ihnen doch nur unsere Position bekanntgegeben. Er wusste schon vorher, dass wir kommen. Ein kleiner Vogel hat es ihm erzählt.«
Hawkwood und Lasseur warteten.
»Das Herrenhaus vom Squire liegt doch am selben Weg wie der Pub, nicht weit davon entfernt. Der Squire hat einen Taubenschlag in seinem Rauchsalon. Wir lassen den Vogel fliegen, wenn wir zwei Meilen vor der Küste sind. Sobald er ankommt, weiß er, dass wir die Ware haben und gibt Abraham Bescheid.«
»Und der Squire ist zufällig auch …«
»Der Amtsrichter. Alles in allem eine wunderbar praktische Regelung.«
Mein lieber Schwan , dachte Hawkwood. Kein Wunder, dass die Schmuggler die Küste beherrschten.
Lasseur grinste übers ganze Gesicht, was Hawkwood gar nicht überraschte. Als Kapitän eines Kaperschiffs, ein Menschenschlag, der nicht gerade wegen seiner Gesetzestreue berühmt ist – egal, ob es sich dabei um maritime oder andere Gesetze handelte -, war der Franzose ganz offenbar überzeugt, dass er es hier mit einem Gleichgesinnten zu tun hatte.
»Wo haben Sie Französisch gelernt?«, fragte Lasseur.
»Durchs Huren und Handeln hauptsächlich«, lachte Gideon. »Es ist unglaublich, was man da an Vokabular aufschnappt. Es geht nichts über Beischlaf und Kommerz, um seinen geistigen Horizont zu erweitern.«
»Und Sie haben keine Gewissensbisse, Leuten wie uns zu helfen? Unsere Länder sind doch Kriegsgegner.«
Gideon schüttelte wegwerfend den Kopf. »Hier wird schon seit fünfhundert Jahren geschmuggelt, vielleicht noch viel länger. Das haben auch Kriege nie ändern können, und es wird sich auch jetzt nichts ändern. Und auch dieser Krieg wird nicht ewig dauern. Ich hoffe, Sie verzeihen mir, Captain, aber jeder Blinde sieht doch, dass Ihr Kaiser den Krieg verliert. Ich bin zwar keine Spielernatur, aber selbst ich würde die Fracht eines ganzen Jahres darauf setzen, dass es nach diesem Krieg noch einen geben wird, und wahrscheinlich danach noch weitere. Und es wird immer Männer wie mich geben, die hier ihre Geschäfte machen, auch wenn ich schon längst tot und begraben bin. Es ist fast ein Naturgesetz. Genauso gut könnte man versuchen, das Atmen zu verbieten. Und deshalb sind Sie für mich nur zwei weitere Frachtstücke.«
»Ein Freund sagte mir mal, die erste Regel im Handelsverkehr sei, nie zuzulassen, dass einem politische Differenzen in die Quere kommen«, sagte Hawkwood.
»Hat er das? Nun, das war ein kluger Mann, Ihr Freund«, sagte Gideon. »Ist er auch Geschäftsmann?«
Wenn du wüsstest , dachte Hawkwood. »Er hat ein paar Mal damit zu tun gehabt.«
»Dann erhebe ich mein Glas auf ihn.«
»Ich auch«, sagte Lasseur. Er sah Hawkwood von der Seite an. »Also, das ist wirklich ein außergewöhnlich guter Brandy, und ich weiß gar nicht mehr, wie lange ich schon nichts Vernünftiges mehr getrunken habe.«
Lasseur erhob stumm sein Glas und trank.
»Wie weit nehmen Sie uns mit?«,
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