Das Hohelied des Todes
stehen geblieben?« Decker zog Dustin wieder auf den Stuhl und beugte sich über seine Schulter. »Ach, ja. Cameron hat die Filme produziert, in denen Earl und die Gräfin auftraten, und mit den Gewinnen hat Cammy Boy seine zwielichtigen Geschäfte finanziert. Der Blödmann hat sich doch tatsächlich eingebildet, ein toller Produzent und Künstler zu sein, was? Ist solchen Großkotzen wie Armand Arlington in den Arsch gekrochen, obwohl er für diese Typen doch nur der letzte Dreck war.«
Pode stöhnte leise.
»Wenn Sie sich das nicht mehr gefallen lassen wollten, hat Cameron Ihnen damit gedroht, Sie und Ihren Vater auffliegen zu lassen. Anfangs hat Ihr Vater wirklich nur unter Zwang mitgemacht, aber dann hat er sich an das kleine Zubrot gewöhnt. Damit konnte er sich die Kredithaie vom Leib halten. Es gab nur ein Problem dabei: Je mehr Geld er in die Finger bekam, desto mehr hat er auch verspielt. Sehen Sie, Dustin, ich weiß über alles Bescheid.«
Pode sprang auf und lief nervös im Zimmer auf und ab.
»Gar nichts wissen Sie!« schrie er. »Sie hätte uns zum Schluß noch alle umgebracht! Es wurde immer schlimmer mit ihr. Sie litt an Verfolgungswahn, wenn sie getrunken hatte. Sie dachte, wir wollten ihr an den Kragen. Sie ist mit dem Messer auf uns losgegangen! Einmal hat sie Dad so böse verletzt …«
Er lehnte sich an die Wand und schluchzte. Decker ließ ihn eine Minute gewähren, dann ging er zu ihm und legte ihm behutsam die Hände auf die Schultern.
»Ich verstehe«, sagte er leise. »Hören Sie, Dustin, Sie trifft doch an all dem überhaupt keine Schuld. Nur Cameron. Er ist derjenige, der gemordet hat. Er hat die Gräfin doch ermordet, nicht wahr?«
Dustin schniefte und nickte.
»Hat er Ihnen gesagt, warum er sie umgebracht hat? Es ging um Geld, nicht wahr?«
Wieder nickte Dustin, während er sich mit dem Ärmel die Augen abwischte. Der Mann war ein Bild des Jammers.
»Sie wollte ein größeres Stück vom Kuchen, ja?« fragte Decker.
»Das hat Cameron behauptet«, sagte Dustin mit leiser Stimme. »Er hat mir gedroht, mich auffliegen zu lassen, wenn ich es irgendwem verrate.«
»Womit wollte er Sie auffliegen lassen?«
»Das wissen Sie doch.«
»Die Geschichte mit Ihrer Mutter?«
Dustin nickte.
»Cameron ist gefährlich, Dustin, er ist ein Psychopath. Er hat Ihren Bruder dazu gebracht, Lindsey zu töten …«
»Mein Bruder hat keinen Menschen auf dem Gewissen. Ich habe Ihnen doch gesagt, es war alles bloß Trick.«
»Ich habe den Film gesehen, Dustin. Das Mädchen ist gestorben. Ihr Bruder und die Gräfin haben sie umgebracht. Und dann war Cameron an der Reihe. Mit derselben Waffe, mit der Lindsey Bates getötet wurde, hat er die Gräfin und Ihren Bruder erschossen.«
Entweder hatte Pode ihn nicht verstanden oder Decker hatte sich den falschen Zeitpunkt ausgesucht. Der Makler zeigte jedenfalls keinerlei Reaktion.
»Haben Sie gehört, was ich gesagt habe, Dustin?«
Er hob das tränennasse Gesicht.
»Earl ist tot, Dustin.«
Pode schüttelte den Kopf.
»Er wurde anhand seiner zahnärztlichen Unterlagen eindeutig identifiziert, Dustin. Cameron hat ihn umgebracht.«
»Nein!« kreischte Pode. Speichel lief ihm aus dem Mundwinkel. »Nein!« Er wollte auf Decker losgehen, doch der wich ihm aus, und Pode ging torkelnd in die Knie.
»Cameron hat Ihren Bruder getötet. Das weiß ich. Sagen Sie mir, wo er ist.«
»Nein, nein, nein!« Er konnte nur noch kläglich jammern. Nachdem er sich ausgeweint hatte, half Decker ihm wieder auf den Stuhl.
»Er kann Earl nicht umgebracht haben«, widersprach Pode verzweifelt. »Er hat mir gesagt, daß Earl die Stadt verlassen hat. Ich habe gerade erst eine Karte aus Mexiko bekommen.«
»Das muß Cameron arrangiert haben. Earl ist tot, Dustin. Heute nachmittag habe ich seinen Schädel gesehen, mitsamt dem ausgeheilten Unterkieferbruch.«
»O Gott!« Pode schluchzte so heftig, daß seine Schultern zuckten. »Er war alles, was ich hatte. Ich glaube Ihnen nicht. Das ist alles nur ein Alptraum.«
»Es ist die Wahrheit. Cameron hat Ihren Bruder aus demselben Grund getötet, aus dem er die Gräfin getötet hat. Sie wollten einen größeren Anteil. Cammy Boy konnte sie sich nicht mehr leisten. Also hat er sie umgelegt. Ich habe die Abrechnungen, Dustin. Darin kann man es schwarz auf weiß nachlesen.«
Wie ein Kind, das einen sündigen Gedanken nicht zugeben will, schüttelte Dustin den Kopf.
»Helfen Sie mir, ihn zu finden, Dustin. Sagen Sie mir, wo er
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