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Das Hohelied des Todes

Das Hohelied des Todes

Titel: Das Hohelied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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dem Rosch-Jeschiwa – standen Privatunterkünfte zur Verfügung. Der Rosch-Jeschiwa, ein gepflegter, distinguierter älterer Herr Mitte Siebzig, hieß Rav Aaron Schulman. Da Rinas Mann sein Protegé und begabtester Schüler gewesen war, hatte sie mit ihren beiden Söhnen die Jeschiwa nach seinem Tod nicht verlassen müssen.
    Rina hatte Decker gegenüber einmal zugegeben, daß sie in der Jeschiwa eine Außenseiterin war. Alle Frauen, die in dem Komplex wohnten, waren einzig und allein wegen ihrer Ehemänner oder Väter dort. Die Schule war eine reine Männerwelt, in der es für sie als Witwe eigentlich keinen Platz gab. Obwohl ihre Mitbewohner sie freundlich behandelten – wie es die Tora von ihnen verlangte –, kam sie sich trotzdem ein wenig wie ein gnädig geduldeter, störender Eindringling vor. Daran änderte auch die Tatsache nichts, daß sie an der High-School Mathematik unterrichtete und für das rituelle Reinigungsbadehaus verantwortlich war. Sie wußte, daß sie die Jeschiwa früher oder später verlassen mußte; aber sie war froh, daß ihr eine Atempause vergönnt war, in der sie sich darüber klar werden konnte, was sie mit dem Rest ihres Lebens anfangen sollte.
    Decker parkte vor dem Haupttor und befahl Ginger, auf ihn zu warten. Um diese Jahreszeit herrschte kaum Betrieb auf dem Hochschulgelände, da die meisten Jungen ihre Familien besuchten. Trotzdem wurde unter freiem Himmel ein Seminar abgehalten. Ein Rabbi im schwarzen Anzug, mit Vollbart und Hut saß mit fünf Schülern – Bochrim – unter einer Ulme. Schüler und Lehrer waren in ein angeregtes Gespräch vertieft. Decker und die Jungen gingen den Hauptweg hinunter, bogen auf den geschotterten Nebenweg ein, der durch das Wohngebiet führte, und blieben schließlich vor einem weißen Bungalow stehen.
    »Es wäre gut, wenn ihr mich zuerst mit eurer Mutter reden lassen würdet, bevor ihr ihr etwas von den Toten erzählt.«
    Sie nickten.
    Aufs Deckers Klopfen hin machte Rina die Tür auf. Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung, und die Lippen öffneten sich zu einem vollen Lächeln.
    »Ich hatte euch Jungs doch erst morgen zurückerwartet!«
    Sammy fiel seiner Mutter um den Hals und umarmte sie heftig. Er legte den Kopf an ihre Brust, um sie nicht ansehen zu müssen. Rina nahm sein Gesicht in beide Hände und blickte ihn an. Seine feuchten Augen und die zuckende Unterlippe konnten ihr nicht entgehen. Als sie ihn auf die Stirn küßte, riß er sich los. Jake warf sich ebenfalls in ihre Arme und küßte ihr das Gesicht ab.
    »Ich glaube, sie haben dich vermißt«, sagte Decker.
    »Froh, wieder zu Hause zu sein?« fragte sie, als sie eingetreten waren.
    Die Jungen nickten. »Ich habe eine Überraschung für euch. Sie liegt auf euren Betten.«
    »O toll!« rief Jake und war schon unterwegs ins Kinderzimmer. Sammy folgte ihm etwas langsamer.
    »Shmuel«, sagte Rina und hielt ihn am Arm fest. »Ist alles in Ordnung?«
    Er nickte.
    »Mit dir stimmt doch etwas nicht.«
    »Ich habe nichts, Ima. Ich bin bloß müde.«
    »Na, schön«, sagte Rina, aber nicht wirklich beruhigt.
    Sammy umarmte seine Mutter noch einmal und trollte sich ins Kinderzimmer.
    »Was ist passiert?« fragte sie, sobald sie allein waren.
    »Könnte ich wohl eine Tasse Kaffee haben, Rina?«
    »Ach … sicher. Natürlich«, sagte sie. »Setz dich, Peter. Du siehst erschöpft aus.«
    Er nahm auf der linken Seite des braunen Sofas Platz, ließ den Kopf nach hinten sinken und rieb sich das Gesicht.
    »Warum sind die Jungen so durcheinander?« fragte sie.
    »Das ist eine komplizierte Geschichte. Aber ihnen ist auf jeden Fall nichts passiert.«
    »Okay«, sagte sie. »Entspann dich erst mal. Ich mache uns einen Kaffee, und dann kannst du mir erzählen, was los ist.«
    Ihr Haus war recht klein, knapp fünfundsiebzig Quadratmeter, vollgestopft mit Erinnerungsstücken – Tschatschkas, wie sie sie nannte. Vitrinen mit jüdischen Figurinen, gerahmten Fotos, Bildern aus Israel. An den weißen Wänden hingen Gemälde der judäischen Wüste, Kohlezeichnungen von der Jerusalemer Altstadt und der Klagemauer sowie Fotos aus der Lower East Side in New York. Über dem Sofa hing ein in leuchtenden Farben geschriebenes, verschnörkeltes, hebräisches Dokument – Rinas Ktubba, ihr Ehevertrag.
    Eine jüdische Ehe ist ein Vertrag, hatte sie ihm erklärt. Jeder soll wissen, worauf er sich einläßt. Aber kann man das überhaupt je wissen? hatte er laut überlegt.
    Emotional natürlich nicht. Aber eine

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