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Das Hohelied des Todes

Das Hohelied des Todes

Titel: Das Hohelied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Aufzug festzuhängen. Seine Vergangenheit schien weit weg, die Zukunft war ungewiß. Manche Leute fanden Ungewißheit aufregend. Für Decker war sie eine Qual.
    Er versuchte, sich zu entspannen, und machte die Augen erst wieder auf, als er Rina zurückkommen hörte.
    »Es scheint ihnen gutzugehen«, sagte sie. »Jakey hat mir alles bis in die gräßlichsten Einzelheiten ausgemalt. Er behauptet, die Leichen wären verbrannt gewesen.«
    Als sie ihn fragend ansah, nickte er.
    »Wie abscheulich«, sagte sie und schüttelte sich. »Er hat mir auch erzählt, daß du den Fall übernehmen mußt.«
    »Ich war eben zur falschen Zeit am falschen Ort.«
    »Die Arbeit läßt einen einfach nicht los, was?«
    »Kann man wohl sagen«, antwortete Decker. »Und wie geht es Sammy?«
    »Er ist sehr still. Er ist in ein Buch vertieft, das Yitzy ihm immer vorgelesen hat. Er hat es seit Jahren nicht mehr angerührt, und mittlerweile ist es viel zu einfach für ihn. Du hattest recht, bei ihm muß man zwischen den Zeilen lesen.«
    »Schon bevor er die Toten gefunden hat, hat er viel von seinem Vater gesprochen.«
    Rina sah ihn erstaunt an.
    »Tatsächlich?«
    »Ja. Der Junge hat ein gutes Gedächtnis. Er hat mir erzählt, daß Yitzchak ihn früher mit zum Unterricht genommen hat, daß er bei den Rabbinern auf dem Schoß sitzen durfte und mit seinem Vater zusammen gelernt hat.«
    Sie bekam feuchte Augen. »Was hat er noch erzählt?«
    »Er war sehr aufgewühlt, als er von Yitzchaks Sachen geredet hat.«
    »Was für Sachen?«
    Decker wäre nie auf die Idee gekommen, daß Sammy vor seiner Mutter Geheimnisse haben könnte. Plötzlich wurde ihm klar, daß er gerade einen Vertrauensbruch beging.
    »Na, ja«, sagte er zögernd. »Daß er den Siddur seines Vaters hat und seinen Tallit. Solche Sachen eben.«
    Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie ging zum Fenster und starrte nach draußen.
    »Am Tag vor Yitzchaks Beerdigung«, flüsterte sie, »habe ich das ganze Haus nach dem Tallit auf den Kopf gestellt. Er sollte darin begraben werden.« Sie schüttelte den Kopf. »Und dabei hat Sammy ihn die ganze Zeit gehabt … Im nachhinein bin ich froh darüber. Es wäre dumm gewesen, einen solchen Schatz zu begraben. Yitzy muß das gewußt haben.«
    Decker ging zu ihr und legte ihr die Hände auf die Schultern. Sie drehte sich um.
    »Sammy redet mit mir nicht über seinen Vater. Nicht, daß ich es nicht versucht hätte, aber er verschließt sich vor mir. Vielleicht, weil es mich selbst zu sehr mitnimmt. Aber ich freue mich, daß er mit dir über ihn gesprochen hat.« Sie lachte unter Tränen. »Du bist ein lieber Kerl, Peter. Bestimmt hast du mit ihnen über die ganze Geschichte viel besser geredet, als ich es gekonnt hätte.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte er. »Ich bin nur mehr daran gewöhnt, über solche Dinge zu reden.«
    Sie drückte ihm sanft die Hand, ließ sie aber gleich wieder los. »Ich habe gestern mit Rav Schulman gesprochen«, sagte sie.
    »Wie geht’s ihm?«
    »Gut. Er ist beeindruckt von dir. Er findet, du hast eine rasche Auffassungsgabe und eine von Natur aus talmudische Denkweise.«
    Decker lächelte.
    »Das hört man gern. Manchmal komme ich mir nämlich schon fast wie eine Schnecke vor, vor allem mit der Sprache geht es so langsam voran.«
    »Es wird schon werden, Schatz.«
    »Vielleicht. Ich bin zu alt für so etwas, Rina.«
    »Unsinn«, sagte sie. »Rabbi Akiva war vierzig, als er anfing, die Tora zu studieren. Du bist ihm also sogar noch ein Jahr voraus.«
    »Und was hat er davon gehabt?«
    »Wie meinst du das?«
    »War er nicht einer von den zehn Rabbinern, die von den Römern gefoltert wurden? War er nicht derjenige, dem sie den Rücken mit glühenden Eisenkämmen aufgerissen haben?«
    Rina sah ihn an.
    »Ich wollte doch nur sagen, daß es nicht unbedingt ein Nachteil sein muß, erst spät im Leben zur Religion zu finden«, antwortete sie. »Rabbi Akiva ist noch zu einem der größten Gelehrten aller Zeiten geworden, obwohl er als völlig unbeschriebenes Blatt mit dem Torastudium begonnen hat. Ich habe doch nicht an seinen Tod gedacht.«
    Decker nahm ihre Hand und küßte sie. »Ich weiß, daß es als Aufmunterung gedacht war«, sagte er. »Das war wirklich eine morbide Assoziation.«
    »Ist auch kein Wunder bei dem, was du hinter dir hast«, sagte sie mitfühlend.
    »Ja«, sagte er. »So etwas gehört bei meinem Job wohl dazu. Wir Polizisten sind offenbar alle auf den Tod fixiert.«
    3
    Die Zahnarztpraxis Hennon und

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