Das Imperium der Prinzen: Roman (German Edition)

immer, was – wie ich herausgefunden habe – kein Zustand ist, der sich automatisch einstellt, sondern an dem gearbeitet werden muss wie an einem sich ständig verändernden taktischen Problem, auch wenn ich es meiner Geliebten gegenüber niemals so ausdrücken würde.
    Ich bin jetzt wirklich Händler – ohne zu reisen – und Flotillenadmiral der Reserve in den KRS , obwohl es mich freut, dass ich abgesehen von meinem aktiven Ein-Monats-Dienst pro Jahr im letzten Jahrzehnt nur zweimal zu den Waffen gerufen wurde – zuerst gegen eine neue Piratenstreitmacht und dann gegen ein Aufklärungsgeschwader der Töder. Der letztere Einsatz war hart, denn Töder kämpfen immer bis zum bitteren Ende und zerstören sich selbst, wenn sie nicht mehrkämpfen können, wobei sie oft ihren Widersacher mit in den Tod reißen. Aber dank der Konföderation und in geringem Ausmaß auch meines eigenen Wissens sowie der alten Imperialen Tech des Prinzen Xaojhek, die wir in den Ringen um den Gasriesen gefunden haben, sind die KRS eine ebenso fähige und starke Streitmacht, wie man sie auch überall sonst in der Randzone findet.
    Raine und ich haben nun auch ein Kind. Ein kleines Mädchen von fünf Jahren, das – dafür sage ich jeden Tag Dank – seinen Eltern niemals entrissen werden wird, um zum Prinzen gemacht zu werden.
    Sie nennt sich selbst Attie, und alle anderen nennen sie auch so. Allgemein wird es als Kurzform für Hattie aufgefasst, wie es in den Akten steht: Hattie Anza Greif. Nur Raine und ich wissen, dass sie in unseren Herzen nach Atalin benannt wurde. Einem Namen der Schande in Kharalcha, den wir niemals einem Kind geben könnten, doch ich fand, ich sei das meiner Schwester schuldig.
    Ich erzählte Raine bald nach meiner Rückkehr nach Kharalcha alles. Dass ich ein Prinz gewesen war und Teil des Imperiums, das so viele aus ihrem Volk getötet hatte. Aber sie sagte, all das sei durch das, was ich aus freiem Willen getan hatte, aufgewogen worden.
    Raine sagte zu mir: »Das Imperium hat dich zu einem Prinzen gemacht, Khem. Aber du hast dich zu einem Menschen gemacht.«
    Manchmal denke ich darüber nach und frage mich, was im Imperium gerade vor sich geht, auch wenn ich das selten sehr lange tue. Am meisten grüble ich darüber, wie es Atalin als Imperator geht und ob sie im Imperium etwas verändern konnte oder es auch nur versuchen wollte.
    Ich bezweifle es, aber dann fällt mir dieses einzelne Bild ein,dieser Erinnerungsfetzen, den sie mir schickte, bevor ich aus dem Imperialen Geist ausgestoßen wurde.
    Es war der verschwommene Blick eines Kleinkindes auf zwei Gesichter, die voller Liebe in den Augen und lächelnd auf dieses Kind herunterblicken. Gesichter, die zugleich vertraut und fremd sind, denn sie sehen so aus wie ich und auch wieder nicht.
    Ich frage mich, wie Atalin diese Erinnerung an unsere Eltern bewahren konnte und wie es ihr gelungen ist, sie wieder hervorzukramen – dem zum Trotz, was die Priester unternommen hatten, damit wir alles vergaßen, was vor unserer Erwählung geschehen war. Vielleicht fand sie sie wieder während ihrer Zeit als Scout für die Imperiale Erkundung, allein in ihrem Schiff irgendwo zwischen den weglosen Sternen, als sie nur ihren eigenen Geist hatte, den sie erforschen konnte.
    So sehr ich mich auch bemühte, ich habe nie eine solche Erinnerung in mir gefunden. Ich habe nur dieses kleine Bild, das mir meine Schwester geschenkt hat – meine Schwester, die am Ende viel menschlicher war, als ich es je vermutet hätte.
    Vielleicht schlummert das Potenzial zum Menschsein in allen Prinzen.
    Ich kann nur hoffen, dass es so ist.

Über den Autor
    Garth Nix wurde 1963 in Melbourne geboren. Nach seinem Abschluss an der Universität arbeitete er in der Buch- und Marketingbranche, u.a. als Lektor, Buchhändler, Buchhandelsvertreter, Agent, Publizist und Berater. Seit 2001 widmet er sich vor allem der Schriftstellerei. Seine Bücher haben sich weltweit mehr als fünf Millionen Mal verkauft, erschienen auf den Bestsellerlisten der New York Times, des Guardian und des Australian und wurden in 38 Sprachen übersetzt. Er lebt heute gemeinsam mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Sydney.