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Lehrer: Bringt dir das Reimen bei, und hat er tausendmal »Geliebter mein« zu dir gesagtund einmal »Mögest du nimmer!«, dann magst du nimmer anders an ihn denken als in treulich dankbarer Liebe. So geht es mir mit meinem Lehrermenschen Kasten.
Als mein Onkel Hermann, der Feldwebel Groth, mit mir auf dem Motorrad durch Holsteins Buchenwälder raste, da sagte er zu mir: »Ist das vielleicht keine richtig feine Sache, was hier so unsere Heimat ist? Donnerst hier durch die Büsche und kannst nach Herzenslust schrein; bist ein freier Mensch bei dem Krach und ist auch noch gut für die Kommandostimme. Was muß ich da zu Hause das Maul aufmachen und krieg auch noch Konzertlager für? Nee, David, ich will dir mal was sagen: Eine 500er Triumph, das ist was richtig Feines. Triumph bedeutet dasselbe wie Triumph; das ist, wenn sie sich richtig freuen und haben auch einen Grund dazu. Deshalb habe ich meine Triumph, weil ich da weiß: Scheißt mich der Hauptmann an, sage ich ›Jawohl!‹, und abends steige ich auf meine Maschine, rausche hier durch das meerumschlungene Land und rufe aus tiefstem Herzensgrunde: ›Herr Hauptmann, Sie können mich mal am Arsche lecken; Sie sind ja doch zum Scheißen noch zu dämlich; daß Sie es nur wissen!‹ Da siehst du, David, was so ein Motorrad für eine richtig feine Sache ist und unsere hier noch dünn besiedelte Heimat auch. Wenn du groß bist, schaff du dir man auch ein Motorrad an, damit du auch wie ein freier Mensch leben kannst, und zu Haus sag man nu nix von dem, was wir uns hier eben verzählt haben, das gibt nur Ärger.«
Soweit mein Onkel, der Feldwebel, und nun ich: Mein Onkel hatte da einen Punkt gemacht; alles, was er gesagt hatte, sprach für den Ankauf eines Motorrades, und ich habe mir schließlich auch eines angeschafft.
Vielleicht hat es an der Marke gelegen, daß es mir nicht so richtig fein geholfen hat wie ihm. Ich habe es mit einer RT 125 versucht und mit einer 350er Jawa, aber ich habe mich beim Schreien nur bis auf den tiefsten Magengrund erkältet.
Vielleicht schrie ich auch nicht mit der richtigen Inbrunst,denn »Genossin Müntzer!« schreit sich einfach anders als »Herr Hauptmann!«.
Vor allem aber – hier sehe ich den Hauptgrund, warum meines Onkels Rat nicht so recht zum Greifen kam –, vor allem bin ich zu spät zu meinen Donnerrädern gekommen. Das hing mit meinem Gehalt zusammen und der Motorradproduktion im Lande und dem Import von außerhalb – ehe ich die große Anschaffung machen konnte, um mich mal so richtig fein frei ausdrücken zu können, hatte ich schon zu lange in der Rundschau gearbeitet, und der Herr Hauptmann dort hieß Frau Müntzer, Genossin Müntzer; diese Frau Hauptmann gab sich nicht mit Jawohl zufrieden, die ließ einen nicht aufs Rad zur befreienden Fahrt, bis nicht jetzt hier einmal alles geklärt worden war, und dämlich war die in keiner Hinsicht – was sollte ich da noch zum Schreien hinaus in die Heimat?
Und träfe ich heute in der alten Heimat meinen Onkel Hermann wieder, oder käme er zu Besuch in meine neue Heimat hier, so müßte ich ihm sagen: Ganz sicher hast du es gut gemeint mit deinem Rat, aber der Lauf der Dinge hat es gewollt: So ganz die richtig feine Sache ist so ein Motorrad auch nicht mehr – doch ich gebe zu: Das kann auch an der Marke liegen. Und eines habe ich jedenfalls aus deinem Beispiel gewonnen: Wenn ich in der Rundschau einen von denen seh, die mit mir arbeiten, und sehe auch, der hat sich ein Feuerrad gekauft, dann achte ich, ob er im Motorendonner die Lippen spitzt, und sage zu mir: Du, du David Groth, du wirst dem doch hoffentlich kein alter Hauptmann sein?
Als mein zweiter Lehrherr, der Büchsenmachermeister Treder, dahinterkam, daß seine dürre Schwiegertochter ballistischen Umgang mit seinem Lehrling Daffi trieb, da sagte er zu mir: »Ich könnte dir glatt in die Fresse haun, und es reizt mich geradezu, dich ›David‹ zu rufen; verdient haste beides. Nur der Mangel an anschlägigen Leuten, die sich auskennen mit Gustav-Adolf-Musketen und dem Wert davon, behindertmich. Ausgerechnet mit die Ursula! Du kuckst wohl nicht auf die Pakete, wenn du sie zur Post bringst, du liest wohl meinen Helmut seine Adresse nicht: SS-Güterverwaltung Minsk? Denkst du vielleicht, der ist da Schweizer, Obermelker, Zitzenzieher bei die Panjekühe? Den mußt du mal hören, wenn er auf Urlaub ist und hat eine Flasche Martell hinterm Koppel! Da kann ich immer nur sagen: Mensch, Helmut, Junge, was du da
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