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Revolution und Weltfrieden, das waren kaum mehr als Schulbuchbegriffe, ebensowenig angezweifelt wie das spezifische Gewicht von Kupfer oder die Länge des Äquators, das gab’s eben, aber was sollte es ihr? Natürlich war sie für den Frieden, was denn sonst? Selbstverständlich war sie gegen die Atombombe, wie denn anders? Auf keinen Fall wollte sie, daß die einen praßten und die anderen hungerten, was glaubt ihr denn? Wenn sie schon für wen war, dann war sie für die Anständigen gegen die Unanständigen, für die Wahrheit und nicht für die Lüge, und sicher für Gerechtigkeit und für Mut und für Konsequenz.
Deshalb hatte sie ja diesen David gemocht. Der hatte seine Überzeugungen, weil er seine Erlebnisse hatte. Dem waren die Nazis nicht irgendwelche verkleideten Männer, die Umzug durch Weißleben machten; der konnte sie hassen, weil er sie fassen konnte. Der dachte nicht zuerst an Schule, wenn von Klasse die Rede war; da kam der leichter klar mit Marx und Engels. Der war in der Partei und gehörte da wohl auch hin.
Aber sie gehörte nirgendwohin. In keine Klasse so recht, nach Weißleben so recht nicht mehr, nach Berlin auch nicht, weil es das mit diesem einen Wort nicht gab, denn da gab es zweie, und wohin also gehörte sie?
Deshalb hatte sie diesen David gemocht. Der hatte gewußt, wohin er gehörte.
Und dann tat er das! – Es war ihr wichtig, von ihm nicht falsch verstanden zu werden: Sie war nicht die sagenhafte Genossin ohne Parteibuch, die dem irrenden Mitglied mit Instinkt aushalf, wo es ihm an Bewußtsein fehlte. Sie nahm keine Fahne auf, die er fallengelassen. Sie respektierte die Verbote nicht, die er gebrochen hatte. Sie hätte, um es sehr genau zu sagen, die Ringe selber gekauft und sich den Teufel um den Klassenfeind geschert.
Worum sie sich scherte, war er. Er hatte seine Gründe gehabt, nicht zu denen zu gehen mit seinem Geld. Er hatte seine Gründe gehabt, die Schilder auf der Friedrichstraße als Grenzschilder zu sehen zwischen Freund und Feind. Er hatte seine politischen Gründe gehabt, aber sie hatte keine politischen Gründe, jetzt mit ihm zu hadern.
Sie hatte nur genug gehabt von den Leuten mit zwei Gesichtern und geglaubt, in David einen gefunden zu haben mit einem Gesicht für alle Gelegenheiten. Aber David hatte sich nicht durchgehalten.
Das sagte ihm Fran dann auch, während sie gegenüber der Polizeikaserne an der Spreereling standen und stritten. Der Gang um die Museumsinsel war einer der Pausentörns, die sie immer drehten, wenn sie über Tag Zeit füreinander fanden, und sie hatte nicht ahnen können, daß ausgerechnet hier und an diesem Tag ihre Zeit miteinander ein Ende finden sollte auf lange Zeit. Er war lustig, als er sie anrief, und er war lustig, als er sie abholte, und er war immer noch lustig, als er ihr von seinem Ringkauf erzählte.
Aber da merkte sie doch schon, daß er manchen Ton erzwang, und zuerst wollte sie ihm nur helfen, die angequälte Lustigkeit fallenzulassen, als sie ihn beschimpfte. Erst als er sich mit Witzen verteidigte, die ihm zusehends pappiger gerieten, griff sie ihn heftiger an, und erst mitten im Streit begriff sie die wahren Gründe ihres Zorns. Das konnte nicht gut gehen. Er verzieh sich selber schon nicht mehr und konnte nicht vertragen, daß sie ihm sagte, was er wußte.
So nahm das seinen Gang. Was eben noch albern hieß, wurde jetzt zynisch genannt. Was Unverständnis war, sprach sich wie Haß aus. Enttäuschung bekam den Namen Verachtung. Innerlich drängten beide sich und den anderen: Nun hör doch auf!, und laut sagten beide dem anderen: Nun hör mal zu, Mensch! Und was der andere dann hörte, machte die Katastrophe.
Welch ein Glück dann am Ende, daß Fran immer noch ein so junges Mädchen war, unerprobt in einem solchen Streitund deshalb gezwungen, sich Gebärden auszuleihen bei mäßigen Büchern und mäßigen Filmen, zum Beispiel die: Wenn zweie Krach miteinander haben und sie sind verlobt oder verheiratet, jedenfalls etwas Beringtes, und es soll nun Schluß sein mit der Sache, ein neuer Sachverhalt soll her, Trennung auf immerdar und Nimmerwiedersehn, dann braucht der Sachverhalt ein Zeichen, und dieses geht dann so: Die Braut, respektive Gattin, zieht ihren Ring vom Finger und feuert ihn durch die gute Stube; in der Ecke klingelt es noch einmal leise, und dann ist es still, und dann, weiß man, ist es aus.
Franziska zog den Ring nicht vom Finger, denn sie hatte ihn gar nicht erst aufgesteckt; sie hielt die beiden Ringe
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