Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
Vom Netzwerk:
Genossen um, fand aber nur wenige, denn man hatte ihnen am Abend vorher noch gesagt: Nur Ruhe, nun ist alles in Ordnung!, doch nun stand die Ordnung auf dem Kopf, und er sah die Leute, die dafür sorgten, und das schlimmste an ihren Gesichtern war, daß nicht alle die des Feindes waren.
    Und er wußte nicht mehr genau, wer und was er selber war, als er merkte, daß er, auch noch, als ihm übel war von Furcht und Nichtverstehen, den Verlust und die Niederlage vor seinen Augen sekundenlang und gar minutenlang vergaß und zu träumen begann von Gewinn, Neugewinn, Wiedergewinn dieses Mädchens, das nicht anders zu sein schien als vor zwei Jahren und ganz anders doch, das fast widernatürlich ruhig schien in diesem Wirbel aus Recht und Unrecht und wenn nicht gelassen, so doch besonnen seine Arbeit tat.»Was ist mit dir«, sagte er, »regt dich das gar nicht auf?«, aber darauf bekam er keine Antwort.
    Was für ein entsetzlich dummer Mensch, dachte sie, was für ein beschränkter Erbpächter der parteilichen Erregung, was für ein Alleininhaber positiver Moral! Wer nicht heult, der blutet auch nicht; wem nicht die Hände fliegen, der hat ein steinernes Herz; wer sich nicht die Lippen zerbeißt, der ist nicht betroffen! Die Frage wirst du mir noch büßen; die stopf ich dir zurück in den Hals.
    Aber jetzt ist hier nicht die Zeit dazu. Jetzt will ich dies sehen und festhalten; jetzt hab ich einen Beruf, und eine Ahnung hab ich, daß man mich eines Tages nicht fragen wird: Wie laut hast du Empörung geschrien?, sondern fragen: Wo ist deine Arbeit?
    Hier tanzt der Teufel Laurenzia; was hier durch die Luft fliegt, hat sich nicht verirrt, und ich werde euch das beweisen, Bild um Bild.
    Wozu sonst hätte ich das Hinsehen gelernt und das Festhalten? Wozu anders wäre ich jetzt gut?
    Geh mir aus dem Weg, Junge, bleib bei mir, aber geh mir aus dem Weg, jetzt bin ich Fotografin.

7
    So ein Verlag ist auch nur ein Betrieb. Fünftagewoche, eine kämpferische BGL, schreibgewandte Pförtner, schmackhafte Kantinenkost, der Fahrstuhl so geschwind wie eine Speicherwinde, Hauptbuchhalter, Frauenruheraum, die Vogel hat’s jetzt mit dem Niekisch, die Wandzeitung immer der Zeit auf der Spur, letztere ist schon etwas kalt, ein Brandschutzverantwortlicher, ein Sicherheitsbeauftragter, alle halbe Jahre Kampagne gegen Tauchsieder, bei der FDJ geht’s fröhlich zu, Parteilehrjahr, der Fahrdienstleiter heißt Cassius Clay und ist der Größte, Planziffern, Planrückstände, Planvorsprünge, Plandisziplin, Plandiskussion, Diskussion zum neuesten Plenum und neuerliche Diskussion über den Kollegen Kurz bezüglich seiner Neigung zu einer Methode der Hervorhebung der negativen Seiten der Widersprüche, Prämiendiskussion, Brigade »Völkerfreundschaft«, kolposkopische Untersuchungen, Kampfgruppe, Betriebsfest, Wettbewerb, Versammlung zum Thema »Reizpeitsche oder Naherholungszentrum«, Blutspendeaktion, Volleyballspieler gesucht, Montag früh ist der Betrieb ein überladener Nachen, Freitag um fünf Raketenstartplatz, Dienstag hat Elli ein Kind gekriegt, Umlage, Mittwoch wird der kleine Jobst fünfundsechzig, Umlage, Donnerstag Beisetzung des Kollegen Zeimert, Umlage, und alle haben ihn gern gehabt, fünf Tage Routine und an jedem dritten eine mittlere Sensation: Der Erich ist wieder da und sieht aus wie ’s blühende Leben, der Zippold haben sie im Haus des Kindes das Portemonnaie geklaut, die Laborantin trägt jetzt auch den Kittel mini, Baldaufs haben sich in aller Stille einen Trabant angeschafft, Neuberts Tochter war im Fernsehen, Jonuschkeit hat gesagt, noch einmal so ein Ding, und er ist bei Kaul, fünf Tage Produktion und Klatsch, fünf TageFortschritt, und keiner merkt es, fünf Tage, einer wie der andere und keiner wie der andere, fünf Teilstriche Ewigkeit, so ein Verlag ist auch nur ein Betrieb.
    So ein Verlag ist ein Betrieb besonderer Art, und der Verlag der Neuen Berliner Rundschau ist noch viel mehr besonders. Sagt David Groth.
    Denn für das Produkt dieses Hauses, so sagt David Groth, gibt es potentiell so viele Verbraucher, wie es Menschen auf der Erde hat. Also rund dreieinhalb Milliarden Verbraucher.
    Haha, sagen die anderen und haben verschiedene Gründe.
    David geht darauf nicht ein. Im Jahre zweitausend, sagt er, werden es sechs Milliarden Verbraucher sein, potentiell.
    Er weiß auch nicht, was es zu lachen geben soll, wenn man von der Chefin des Frohen Magazins berichtet, sie habe in der Redaktionssitzung einen verpfuschten

Weitere Kostenlose Bücher