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Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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in der Hand und hätte die Hand nur zu öffnen brauchen, den Rest hätte die Schwerkraft besorgt, ein kaum hörbarer Doppelglucks und Ende.
    Aber Franziska hatte ihre Bücher gelesen und ihre Filme gesehen, und so schelte man die Bücher und die Filme nicht, denn so kam die Gerechtigkeit ins Spiel, die man auch Humor nennen kann, jene Heiterkeit, die auf Verständnis beruht. Etwas jedenfalls, das es gut mit ihr und dem David meinte, gab ihr den großen Bogen ein, auf dem die Ringe ins Wasser fahren sollten, erst der eine und dann der andere auch. Der eine Schuß ging gerade noch an; zwar wurde da entschieden zuviel Aufwand mit dem Körper getrieben, der Schwung hätte auch einen Medizinball weit ins Wasser gebracht, und schon schmerzte das Schultergelenk vom hyperbolischen Einsatz, aber immerhin, der Ring war weg, das Ding war weg, dreiundzwanzig Mark West, einhundertvierzig Ost, der Gestus war gelungen, die Gebärde kam erst nach den Worten, aber sie unterstrich sie doch eindrucksvoll, hier konnte nichts mehr mißdeutet werden.
    Nun noch das andere Zeichen zum bösen Sachverhalt hinterher, und das würde das Ende sein.
    Aber jenes Etwas, das es gut mit Franziska und David meinte, sorgte noch einmal und noch ein wenig mehr für Übertreibung, und so fuhr der zweite Ring gegen den Himmelauf und blieb in einer trockenen Linde hängen, und als Fran und David voneinandergingen, der eine nach hier und der andere nach dort, da sahen sie in ihrem blinden Schrecken noch nicht, daß neben dem Ring im Baum an der Spree ein großes Gelächter hockte.
    Doch es saß dort, und der Grimm starb, und an einem grauen Junimorgen, grau nicht nur, weil Regen fiel, denn es war der siebzehnte Tag im Monat Juni, brachte der verläßliche Zufall, jenes humoristische Etwas, den Genossen David Groth auf dem Strausberger Platz an die Seite eines jungen Mädchens, das sich anschickte, einen schreienden Mann in Maurerhosen zu fotografieren. Da waren die ersten Worte, die die beiden nach zwei Jahren miteinander sprachen, die: »Bist du verrückt, die haun dir den Kasten über den Kopf!« und: »Aber die Hosen, mit seinen Hosen stimmt was nicht!« und: »Hier stimmt noch mehr nicht, aber komm jetzt weg!« und: »Und du, bist du nicht selbst verrückt, hier mit dem Abzeichen an der Jacke!« und: »Ich hab keine Angst!« und: »Dann hast du noch nicht richtig zugehört!«
    Das wurde ein langer Tag, entsetzlich lang und wunderlang, lang wie ein alter Krieg und lang wie eine alte Mär, lang wie ein Schmerzenslaut und lang wie die Jugend, ein Tag, der schrecklich zu Ende ging und gut, ein Tag, der dem Schreien ein Ende machte und einem Schweigen, kein Feiertag und ein Feiertag.
    »Ich will hier fotografieren«, sagte Franziska, »da machst du entweder dein Abzeichen ab, oder du gehst weg. Ich will deinetwegen keine Dresche kriegen. Ich will Bilder machen, das kriegt hier nie wieder einer zu sehen.«
    »Hoffentlich«, sagte David und zog das Abzeichen aus dem Revers. Aber das bewahrte sie doch nicht vor zweimal Prügel.
    »Was bist du denn für ein Journalist?« sagte Fran nach dem erstenmal. »Du sollst hier doch nicht agitieren, du sollst beobachten.«
    »Ich scheiß dir aufs Beobachten«, sagte David, »wenn ich beobachte, wie sie Scheiben eintreten und Puppenlappen aus der Fahne machen, dann scheiß ich drauf.«
    »Dann geh weg«, sagte sie, »die Sorki hat achthundert Mark gekostet und meine Augen noch mehr.«
    »Hier geht was kaputt, was mehr gekostet hat«, sagte er, und sie schrie ihn an: »Nun nicht auch noch mich, du Blödmann, nun agitier du mich nicht, laß mich in Ruh, ich will arbeiten!«
    Da ließ er sie arbeiten und fing sich eine Faust ans Ohr ein, als er einem Zimmermann an den Hals wollte, der ihr auf den Arm geschlagen hatte.
    »Hatte der eine Axt?« fragte er, aber sie legte gerade einen neuen Film in ihre Sorki.
    Von da an sah er diesem siebzehnten Juni zu und dieser Franziska Grewe. Er sah das Sektorenschild an der Friedrichstraße zersplittern und auch das am Haus Vaterland, Potsdamer Platz, und er sah auch den Brand im Kaufhaus dort, und ein Buch von Kellermann sah er unter abgetragenen Schuhen und eine Frau mit einem Taschentuch im Mund, und er sah Steine aus einem Hause fliegen, das aber schon lange und immer noch eine Ruine war, er sah die Scherengitter vor dem Haus der Ministerien und einen Radfahrer unter seinem zerbrochenen Rad und ein OdF-Abzeichen an der Jacke eines Mannes, dem sie den Arm ausrenkten, und er sah sich nach

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