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Das Impressum

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Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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erstaunlich gewesen, aber Annette Wunder war in kaum einer Hinsicht beliebig. Sie war die Prinzipalin eines Marionettentheaters von beachtlichem Ruhm, und sie war reizend, als David sie aus dienstlichem Anlaß besuchte. Zuerst kochte sie Tee. Dann reichte sie selbstgebackene Plätzchen. Dann zeigte sie David ihre Oblatensammlung, und es nahm David sehr für sie ein, daß diese bedeutende Persönlichkeit von ihrem Hort aus Lackbildern fast kindlich schwärmen konnte. Dann erfuhr David etwas von Annies Jugend in dem Städtchen Marne, Süderdithmarschen, einer Gegend, in der auch Pole Poppenspäler zu Hause gewesen und durch die der Puppenspieler Georg Wunder gekommen und nicht gegangen war ohne Annette, die Tochter des Papierwarenhändlers. Dann wurde David nach seinem Zuhause ausgeholt, und gleich darauf war er künftiger möblierter Untermieter bei Frau AnnetteWunder, fünfzig Mark monatlich auf die Hand und hin und wieder ein wenig Formulierungshilfe fürs Programmheft, abgemacht. Dann und von da an wurde David von Annie Wunder geduzt, und dann und von da an, wann immer er wollte, durfte er den Probenarbeiten beiwohnen, und natürlich durfte er eine Fotografin mitbringen, und natürlich durften beide ausführlich in Wort und Bild berichten, und zuerst durfte die Fotografin den neuen Untermieter auch am Abend besuchen und am Morgen wieder heimwärts gehen, aber dann ging das nicht mehr, dann mußte eine Verlobung sein.
    Dies mochte ein Tick sein, und sie mochte ihre Gründe für diesen Tick haben, denn ihr Poppenspäler Georg hatte sein Lebtag fröhlich an der Verfestigung eines odiosen Rufes mitgewirkt und mit allen Poppen gespält, die eben mit sich spälen ließen, und das waren nicht wenige gewesen und für Annette Wunder viel zuviel; so hatte sie also Gründe, aber dennoch konnte David es kaum fassen, daß ausgerechnet sie ihm mit Verlobung kam.
    Verlobung war ähnlich altbacken wie Einsegnung oder Poesiealbum oder Oblaten aus buntgelacktem Papier, und David dachte schon an neuerlichen Umzug, aber Fran nahm das leichter.
    Unter heftigem Gekicher verfaßten sie eine geschwollene Verlobungsanzeige, und David fertigte nach Feierabend in der Setzerei der Rundschau einen einmaligen Sonderdruck davon, den legte er Annie Wunder vor.
    Sie las den Schwulst zufrieden, aber dann wollte sie den Verlobungsring sehen, und den hatte David nicht.
    Es war nicht mit ihr zu reden. David versuchte, ihr klarzumachen, daß im Handel weder goldene noch silberne Reifen zu haben waren und daß für ein Geschäft hinter der Tür sein Geld nicht reichte und daß doch wohl überhaupt so ein Ring, so ein Vogelring, weniger wichtig sei als das nunmehr vollzogene und schriftlich bestätigte Verlöbnis. Annie aber ließ die Handelslücke nicht gelten, und sie zitierte aus Georg Wunders grundlegender Theorie des Puppenspiels jenenSatz, demzufolge ein Sachverhalt kein eigentlicher Sachverhalt sei, sofern er sich nicht in Zeichen fassen lasse.
    Also, verlobt war nicht, wer kein Zeichen davon trug, und verlobt mußte sein, wer Annies Untermieter bleiben wollte.
    David wollte gern, denn die Wohnung lag nahe der Redaktion, und dank Annette Wunders Bedeutung waren immer Kohlen im Keller, und Gäste aus aller Welt kamen ins Haus, und man wußte von Wirtinnen, denen auch eine gedruckte Verlobungsanzeige lange nicht Ausweis genug war, um außerehelichen Beischlaf unter ihrem Dache zu dulden.
    Da tat David zehn Schritte und kaufte die Ringe, aber die zehn Schritte waren ein gewaltiger Satz, waren ein moralischer Salto mortale, ein halsbrecherischer Akt, ein Gang, ein Vorgang von solcher Inkonsequenz, wie es sie bis dahin in Davids Leben noch nicht gegeben hatte.
    »Was darf es sein, mein Herr?« sagte der Verkäufer.
    »Ringe, bitte.«
    »Eheringe, der Herr?«
    »Nein, Ehe nicht, das heißt, ja, Eheringe.«
    »Wenn ich Ihnen da einmal etwas zeigen darf, mein Herr, wir haben gerade einige neue Muster hereinbekommen, oder dachten Sie an die traditionelle Form, rund und glatt?«
    »Lieber rund und glatt, und wenn Sie welche einfach mit Auflage haben …«
    »Selbstverständlich, mein Herr, preiswert und geschmackvoll, die Möbel kosten schließlich auch Geld, wie wäre es mit diesen, darf ich mal, paßt ausgezeichnet, und haben Sie die Maße von Fräulein Braut, wenn ich mal so sagen darf?«
    »Wie mein rechter kleiner Finger.«
    »Das wäre dann dieser, mein Herr, sechsundvierzig Mark das Ganze, mal den Tageskurs sind’s dann zweihundertachtzig sechzig,

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