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Das Insekt

Das Insekt

Titel: Das Insekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Masterton
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Schutzanzug. Im besten Falle war er klebrig, aber in der Hitze dieses Tages hatte man darin schon Schweißausbrüche, wenn man nur den Reißverschluss zuzog. Um besser in die Gummistiefel zu kommen, setzte sie sich auf die Stoßstange.
    »Weißt du, was hier passiert ist?«, fragte Ruth.
    »So ungefähr. Jack Kellett sagt, sie hätten sich über das Sorgerecht gestritten, und die Frau wollte um jeden Preis verhindern, dass der Mann die Kinder bekommt. Tja, und danach haben die Nachbarn irgendwann den Geruch gemeldet und man fand die toten Kinder.
    Sie reichte Ruth den Mundschutz und setzte sich dann ihren auf. Mit einem Insektizid-Kanister und Müllsäcken bewaffnet schritten sie auf das Haus zu.
    Bis kurz zuvor hatte die Straße verlassen gewirkt, doch nun begann der Nachbar gegenüber sein Auto zu waschen und ein anderes Ehepaar trat vor sein Haus, um übertrieben aufmerksam den Rasensprenger zu überwachen. Drei Teenager mit Skateboards tauchten plötzlich auf und zogen immer engere Kreise um das Haus.
    Bonnies Schenkel rieben mit einem quietschenden Geräusch aneinander, ihr Atem unter der Maske hörte sich an, als wäre ihr ein Asthmatiker auf den Fersen.
    An der Tür blieb sie stehen und zückte den Schlüssel, den ihr die Immobilienfirma ausgehändigt hatte. Der Messingknauf hatte die Form eines Käfers. Sie öffnete die Tür, und sie traten ein.
    Es war ein schäbiges, gewöhnliches kleines Haus. Schmaler Korridor mit einer Tür zur Linken, die ins Wohnzimmer führte, und einer Tür zur Rechten, hinter der das Schlafzimmer lag. Die Küchentür am Ende des Korridors stand einen Spalt offen.
    Im Haus waren Schwärme von Fliegen. Sie waren einfach überall: auf den Wänden, den Möbeln, den Fenstern. Bonnie stieß Ruth an und staubsaugte pantomimisch. Ruth hob einen Daumen und machte sich auf die Suche nach der Besenkammer.
    In der Diele hing ein Gipsjesus an einem Holzkreuz, auf dem stand: »Gott segne meine Kinder«. Bonnie betrat das Wohnzimmer mit der weißen Kunstledercouch und dem Fernseher von der Größe einer Garage. Trotz ihrer Atemmaske merkte Bonnie, dass der Geruch hier am intensivsten war. Bevor sie mit dieser Art Arbeit angefangen hatte, war ihr nie klar gewesen, wie streng menschliche Körper nach ihrem Ableben riechen konnten. Sogar simples getrocknetes Blut verbreitete den Gestank von verdorbenem Hühnchen.
    Nachts lag sie manchmal wach und fragte sich, wie die Menschen sich trotz ihrer Vergänglichkeit lieben konnten. Wussten sie, wie ihr Inneres wirklich aussah?
    Sie stand auf dem plüschig-beigen Teppich im Wohnzimmer. Braune Fußspuren führten quer darüber, als habe jemand Instruktionen für einen Tanzkurs geben wollen. Auf dem Weg zur Küche verjagte sie fuchtelnd Fliegen vor ihrem Gesicht. Auf dem Abtropfgitter fürs Geschirr lag ein schleimiger gelber Klumpen, der einmal ein Eisbergsalat gewesen war. Das Messer, mit dem er geschnitten werden sollte, lag bereit daneben.
    Auf dem Boden des hinteren Schlafzimmers lag das Spielzeug der Kinder. Ein Telefon von Fisher-Price mit Schnur zum Hinterherziehen. Ein hellblauer Laster war mit Bauklötzen beladen.
    An der Wand stand ein einzelnes Bett, im rechten Winkel dazu ein Schlafsofa. Das Fenster wurde durch so viele Fliegen verdunkelt, dass Bonnie das Deckenlicht anschalten musste, um etwas zu sehen. Die glänzenden braunen Flecken auf Bett und Sofa sahen aus wie poliertes Holz.
    Bonnie nahm sich einen der Müllsäcke. Sie streckte sich und zog die Vorhänge herunter, die sie zusammen mit einem Haufen glänzender Fliegen in den Sack stopfte. Ruth kam mit dem Staubsauger herein. Sie fand eine Steckdose und begann, die Fliegen am Bettsofa einzusaugen. Sie wirkte so nüchtern, als mache sie nur den üblichen Hausputz.
    Sie rissen alle Vorhänge und Jalousien herunter. »Kann ich das behalten?«, fragte Ruth. Auf dem Arm hatte sie einen Vorhang aus Goldvelour.
    »Von mir aus. Den Rest bringe ich auf den Müll.«
    Gemeinsam trugen sie die Betten zu Bonnies Pick-up und legten sie wie ein Sandwich mit den fleckigen Seiten aufeinander, damit die Nachbarn nichts sehen konnten. Sie rissen die Teppichböden von den Dielen und rollten sie zusammen.
    Der Teppich im Kinderzimmer sah am schlimmsten aus. Bonnie begann mit dem Abreißen in einer Ecke des Zimmers und sah gleich die Maden darunter. Ruth kehrte sie mit Schaufel und Besen auf.
    Bücher, Kontoauszüge, Familienbilder, Zeitungen, Kleidung, Geburtstagskarten, die Wachsmalstiftzeichnung von zwei

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