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Das Insekt

Das Insekt

Titel: Das Insekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Masterton
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sie: »Ich bin ein praktisch denkender Mensch, Mister Maderas. Ich habe schon viele Leichen gesehen, und ich glaube nicht an Gespenster. Aber es geschieht gerade etwas sehr Seltsames, und dafür muss es einen Grund geben.«
    »Vielleicht haben Sie Recht. Mexikaner haben es nicht leicht in Los Angeles. Es gibt viele Vorurteile und Ungerechtigkeiten. Vielleicht ist Itzpapalotl aus der Hölle aufgestiegen, um sie zu rächen.
    In diesem Moment räusperte sich Esmeraldas Vater. »Als ich noch ein Kind war, gab es einen Ladenbesitzer, der eines Tages meine Mutter beleidigte. Später wurde seine Leiche im Griffith Park gefunden. Man hatte seine Zunge herausgeschnitten, so wie Xipe Totec, der die Nacht trinkt, seine Opfer tötet. Er schneidet ihnen die Zunge heraus, damit sie ihr eigenes Blut trinken, während sie verbluten.«
    »Hat man den Täter je gefasst?«, fragte Bonnie.
    »Wie sollte man. Es war Xipe Totec.«
    Obwohl Bonnie zutiefst beunruhigt war, blieb sie noch eine Weile. Glaubte Juan Maderas an Itzpapalotl, oder machte er sich nur über sie lustig? Seine Stimme blieb stets nüchtern und gleichförmig, so als würden sie die Preise für Kartoffeln diskutieren, und doch hatte er auch etwas Verschlagenes. Hin und wieder warf Esmeraldas Vater rätselhafte Weisheiten ein wie »In der Hölle findest du keinen Schlaf« oder »Wenn der Tag der Rache kommt, musst du wach sein.«
    Verwirrt und niedergeschlagen verließ Bonnie die Wohnung. Sie überlegte kurz, Ralph anzurufen, befürchtete aber, das könnte ihn noch wütender machen, als er ohnehin schon war. Nach der Nacht mit ihm in Pasadena war sie in Hochstimmung gewesen, vergessen die Demütigung auf Kyle Lennox’ Party. Sie hatte wirklich gedacht, ihr Leben könnte eine andere Wendung nehmen. Zwar hatte sie noch nicht gewagt, an eine Trennung von Duke zu denken, aber eigentlich hatte kaum mehr als ein Schritt zu dieser Entscheidung gefehlt.
    Auf der Rückfahrt lief »Evergreen« im Radio und sie sang aus vollem Halse mit, während Tränen ihre Wange herunterliefen und auf ihre neue Jeans tropften. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, dass Ralph sie nie mehr lieben würde.
    Die Ampellichter verschwammen vor ihren Augen, Rot und Gelb und Grün tanzten wie Laternen bei einem mexikanischen Volksfest.

 
    Ungewöhnliche Stille
     
     
    Nachdem Bonnie am nächsten Morgen die Augen geöffnet hatte, fiel ihr als Erstes auf, wie still es im Haus war. Sie lag auf dem Rücken und starrte an die Decke. Der feine Riss, den sie dort sah, sah aus wie eine Hexe mit krummer Nase und spitzem Kinn. Sonnenstrahlen zuckten über die Decke, und die Hexe schien Bonnie zuzuzwinkern. Nach einer Weile setzte sie sich auf und schaute auf den Wecker. Es war zwanzig nach acht.
    Sie erschrak. Duke würde zu spät zur Arbeit kommen, Ray zu spät zur Schule und sie musste…
    Nein, wurde ihr plötzlich klar. Niemand kam zu spät. Duke hatte keine Arbeit, Ray ging nicht zur Schule, und sie hatte ihren Job verloren – wenn Ralph es sich nicht doch noch anders überlegt hatte.
    Sie klopfte auf das Deckenknäuel neben sich. »Duke, es ist schon fast halb neun. Soll ich dir einen Kaffee machen?«
    Sie wunderte sich nicht darüber, dass er keine Antwort gab. Duke hätte einen Flugzeugabsturz im Vorgarten verschlafen. »Also willst du Kaffee? Frühstück mache ich nämlich nicht, du sagst dann nur wieder, dass ich dich vergiften will.«
    Immer noch keine Antwort. Sie wurde ungeduldig.
    »Denk ja nicht, dass du heute den ganzen Tag im Bett liegen kannst, du wirst dir nämlich einen neuen Job suchen, Duke.«
    Sie zog die Decke weg. Seine Seite war leer. Was Bonnie flüchtig für seinen Körper unter der Decke gehalten hatte, waren nur ein paar Kissen, die sie nachts von sich geschoben haben musste.
    Verwirrt stand sie auf und schlurfte über den blauen Teppich in Richtung Bad. »Duke?« Aber Duke war nicht im Bad. Dafür war der Toilettensitz heruntergeklappt. Das erste Mal in der Geschichte ihrer Ehe überhaupt.
    Sie ging ins Wohnzimmer, um zu sehen, ob Duke betrunken vor dem Fernseher eingeschlafen war. Aber da lag niemand. Die Sofakissen waren ordentlich ausgeklopft, der Fernseher war aus.
    »Duke?«, sagte sie, aber diesmal so leise, dass er sie auch nicht gehört hätte, wenn er im Haus gewesen wäre.
    Er war nicht in der Küche. Nicht in der Vorratskammer. Nicht im Garten. Und Gott sei Dank trieb er auch nicht im Pool.
    Sie sah ihr Gesicht im Garderobenspiegel, als sie zu Rays Zimmer ging, um zu

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