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Das Insekt

Das Insekt

Titel: Das Insekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Masterton
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auf das Sofa. Auch Juan Maderas setzte sich wieder und legte die langen, dünnen Finger aneinander. An seinem rechten Mittelfinger prangte ein silberner Ring mit Totenkopf.
    »Esmeralda hat mir erzählt, Sie hätten einen Falter ins Universitätslabor gebracht?«, fragte Juan.
    »Zu Professor Howard Jacobson, ja. Er ist der Beste auf seinem Gebiet. Er hat einige Bücher über Insekten und ihre Bedeutung für die Gerichtsmedizin geschrieben. Oft kann man bei einer Leiche erst anhand von Insektenbefall unter Berücksichtigung von Temperatur und Feuchtigkeit den genauen Zeitpunkt des Todes feststellen.«
    »Und dieser Professor Jacobson war sicher, dass es sich bei dem Falter um einen Apollo handelt?«
    »Ja. Und er hat mir von der Legende erzählt. Diese Dämonengöttin, deren Name ich nicht richtig aussprechen kann.«
    »Itzpapalotl«, sagte Juan Maderas. Übersetzt heißt das Schmetterling aus Obsidian<. Man nennt sie so, weil die Ränder ihrer Flügel mit Messern aus Obsidian gespickt sind.«
    »Das hat Howard erzählt. Und auch, dass ihre Zunge ein Messer ist.«
    »Stimmt. Itzpapalotl fiel vom Himmel zusammen mit den Tzitzimime, die viele Gestalten annehmen konnten. Manchmal waren sie Skorpione, manchmal Kröten und sogar Stabheuschrecken. All diese Tiere sind für uns der Tod. Ein Tzitzimime nahm die Gestalt eines Affenschädels an. Er tauchte mitten in der Nacht an Straßenkreuzungen auf, und wenn ein Unglücklicher ihn sah, verfolgte der schreiende Schädel den Armen bis nach Hause.«
    Juan Maderas nahm einen Schluck Wein, bevor er weitersprach. »Manchmal trug Itzpapalotl einen unsichtbaren Mantel, sodass Menschen sie nicht sehen konnten. Dann wieder war sie fein gekleidet wie eine Lady am Hofe eines Königs, eine Lady mit Fingern wie Jaguarkrallen und Zehen wie Adlerklauen.
    »An bestimmten Tagen des aztekischen Kalenders flog sie als Schmetterling durch die Städte und Dörfer und führte einen Schwärm von toten Hexen an, die ebenfalls die Gestalt von Schmetterlingen angenommen hatten. Sie drangen in Häuser ein, flüsterten den Menschen böse Worte ins Ohr und brachten sie dazu, ihre Frauen und Kinder zu töten. Itzpapalotl vergrößerte so ihre Gefolgschaft, denn die treuesten Hexen waren die, die ihre Familien am meisten geliebt hatten und sie trotzdem töteten.
    »Genau«, rief Bonnie und nickte. »Sie brachten die Menschen um, die sie am meisten liebten. Genau das ist in all den Fällen passiert, bei denen ich die Schmetterlinge gefunden habe.«
    Juan Maderas starrte Bonnie an. Seine tiefliegenden Augen glänzten wie schwarze Käfer: »Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert. Glauben Sie wirklich, dass diese Leute von einem alten aztekischen Dämon getötet wurden?«
    »Keine Ahnung. Klingt schon verrückt, oder? Wirklich völlig irre. Andererseits fehlte all diesen Leuten ein Motiv… jedenfalls für die Morde an den Kindern. Gut, die einen Eltern stritten sich ums Sorgerecht, die anderen hatten Drogenprobleme, aber da gab es eine Familie… da konnten alle bezeugen, dass der Vater geradezu vernarrt war in seine Kinder, trotzdem hat er sie ohne irgendeinen erkennbaren Grund erschossen.«
    »Manchmal tun Menschen diese schrecklichen Dinge. Gerade Sie sollten das wissen. Das bedeutet aber nicht, dass sie von Itzpapalotl zu ihren Taten ermutigt werden.«
    »Und doch war alles, was diese Fälle gemeinsam hatten, dieser seltene Falter und eine Verbindung zu Mexiko. Ich käme sonst nie auf die Idee, dass das was zu bedeuten hat, aber Howard Jacobson hat gesagt, dieser Apollofalter kommt in Kalifornien nicht vor. Ausgeschlossen.«
    Juan Maderas schwieg. Dann nahm er einen Schluck Wein, zog ein schwarzes Samttaschentuch aus seiner Tasche und tupfte sich den Mund ab. »Ich weiß nicht, was ich Ihnen sagen soll. Noch immer glauben viele an Itzpapalotl und Micantecutli, den Herrn der Hölle, und an die Tzitzimime. Ich habe alte Männer Blut aus ihren Nasen und Ohren abzapfen und auf ihre Krückstöcke reiben sehen, weil sie glaubten, so die bösen Geister darin bannen zu können. Aber ich habe meine Zweifel.«
    »Wie haben die Menschen Itzpapalotl zu bannen versucht?«
    »Menschenopfer. Man schnitt ihr Herz heraus und sang dabei ein schmeichelhaftes Lied für die Göttin, die Mutter, die Beschützerin.«
    »Hat es funktioniert?«
    »Offensichtlich, jedenfalls sagen das die überlieferten Darstellungen der Azteken. Sie haben alles in Bildern festgehalten, jede Art der Opferung.«
    Bonnie dachte nach. Dann sagte

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