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Das Insekt

Das Insekt

Titel: Das Insekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Masterton
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Erinnerung klafft ein Loch. Es ist, als ob es sie nie gegeben hätte.«
    »Unsinn«, sagte Ruth, »die ziehen bestimmt nur eine dumme Show ab. Duke war beleidigt, weil er sich von einer Frau nichts sagen lassen will, vor allem nicht, dass er den Arsch hochkriegen soll. Wenn die Hunger kriegen, stehen sie plötzlich wieder vor der Tür. Wart’s ab.«
    Für einen Moment war Bonnie versucht, Ruth von dem Besuch bei Esmeralda zu erzählen, von Juan Maderas und Itzpapalotl. Aber weil sie nicht wollte, dass Ruth sie für völlig hysterisch hielt, ließ sie es bleiben.
     

 
    Anruf bei Ralph
     
     
    »Ralph, es tut mir so Leid, dass ich das mit Phil Cafagna versaut habe.«
    »Schon gut. Vergiss es einfach.«
    »Ich will es aber nicht vergessen. Und diese Nacht mit dir war etwas ganz Besonderes.«
    »Ich weiß. Für mich auch. Aber Glamorex bricht gerade zusammen, und ich kann mich um nichts anderes kümmern.«
    »Duke hat mich verlassen, Ralph.«
    »Was?«
    »Er hat mich verlassen. Ich weiß nicht, wo er hin ist, aber er ist weg und hat Ray mitgenommen.«
    »Das tut mir Leid, Bonnie, aber das ändert nichts. Und wenn Vanessa tot umfällt, ändert das auch nichts. Manchmal laufen die Dinge so, wie man sich das wünscht, manchmal eben nicht. Das ist Schicksal, wenn du so willst.«
    »Ralph, bitte, ich… ich flehe dich an. Du hast mir so viel gegeben, du hast mich wieder daran erinnert, wie es ist, eine Frau zu sein. Was ich bei dir gefühlt habe, habe ich nie zuvor gefühlt. Nie. Und sag mir nicht, dir hätte es nicht auch gefallen.«
    Zwanzig Herzschläge lang schwieg Ralph. Dann sagte er: »Ich liebe dich, Bonnie. Ich will dir nicht wehtun, aber wir müssen beide akzeptieren, dass wir die Chance verpasst haben.«
    »Nein, Ralph, hör mir bitte zu…«
    Aber dann hielt sie inne, weil sie plötzlich wusste, dass es keinen Zweck hatte. Dass ihr das Glück nicht vergönnt war. Sie stand in der Telefonzelle gegenüber dem Glamorex-Gebäude, sah Ralphs Silhouette hinter seinem Bürofenster und ließ langsam den Hörer auf die Gabel sinken. Sie sah, wie auch er auflegte, die Arme um seinen Körper schlang und den Kopf auf die Brust drückte, als leide er unter großen Schmerzen.
    Falter
    Sie rief alle Freunde von Ray an, die in dem Adressbuch standen. Keiner hatte ihn gesehen. Sie rief sogar Dukes Mutter an, die in einem Altenheim in Anaheim wohnte. Mrs Winter hustete, murmelte unverständliches Zeug und fragte ständig »Bonnie wer?«.
    Sie rief auch ihre eigene Mutter an, die beinahe hörbar mit den Achseln zuckte. »Pah, so sind die Männer. Verdrücken sich einfach. Ich habe nie verstanden, warum du ihn geheiratet hast.«
    Sie suchte im ganzen Haus nach Hinweisen, die das Verschwinden von Duke und Ray erklären könnten. Hinter dem Wasserkocher lag ein altes, feuchtes Hustler-Magazin. Unter Rays Schlafanzügen entdeckte sie ein Springmesser, und Alufolie mit Marihuana-Krümeln. Nichts von dem erklärte das Geschehen.
    Ruth rief an. »Und? Haben die Landstreicher sich schon gemeldet?«
    »Nein. Ich weiß immer noch nicht, was passiert ist.«
    »Sie haben nichts gesagt?«
    »Ich weiß es nicht mehr.«
    »Das war erst gestern, und du weißt es nicht mehr?«
    »Nein. Wir haben uns gestritten. Vielleicht war das der Anlass.«
    »Du brauchst Tapentenwechsel. Komm doch rüber, wir lackieren uns die Nägel, quatschen und trinken ein bisschen.«
    »Ich habe Angst, Ruth.«
    Und da nahm sie plötzlich eine Bewegung an der Topfpflanze auf dem Fensterbrett wahr. Eine langsame, fließende Bewegung wie von einer Raupe.
    »Moment Ruth, bleib mal eben dran.«
    Langsam legte sie den Hörer auf den Tisch und ging zum Fenster. Mit der Spitze eines Kugelschreibers hob sie vorsichtig Blatt für Blatt an und schaute darunter. Unter dem dritten Blatt fand sie die dunkel gefleckte Raupe, Parnassius mnemonsyne, der Apollofalter, Itzpapalotl.
    Bonnie starrte es regungslos an. Sie hörte die gepresste Stimme von Ruth aus dem Hörer: »Bonnie? Bonnie, was ist los? Bist du noch dran?«
    Sie zog den Kugelschreiber vom Blatt weg und ging zum Hörer zurück. »Ruth, ich habe ein ungutes Gefühl.«
    »Hör auf, Bonnie. Du kennst doch Duke. Der kommt wieder.«
    »Ich muss mit Dan Munoz sprechen, ich glaube, etwas Schreckliches ist passiert.«
    Dan kam anderthalb Stunden später. Er trug einen hellen Blazer und dazu ein schwarzes Seidenhemd.
    »Hey, Bonnie, wie geht’s?«
    Sie führte ihn ins Wohnzimmer. »Möchtest du einen Kaffee oder etwas

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