Das Internat
wegen Jane und Breeze ohnehin nicht sagen können. Wenn es nur um mich gegangen wäre, hätte ich es dir erzählt."
Das stimmte nicht ganz, und beide wussten es. Wieder lief alles auf Vertrauen hinaus. Mattie hatte ihm nicht genug vertraut, um ihn einzuweihen. Sie vertraute Menschen nicht schnell. Vielleicht würde sie das nie können. Mattie litt unter den gleichen Symptomen wie viele missbrauchte Kinder, es war eine Art posttraumatisches Stresssyndrom, das es ihr schwierig machte, die einfachsten Dinge im Leben anzunehmen. Dinge, die für die meisten Menschen selbstverständlich waren, wie jemandem zu vertrauen.
Nicht einmal sich selbst traute Mattie. Sie hatte Jameson am Arm berühren wollen. Nachdem sie mit ihm wilden, hemmungslosen Sex gehabt hatte, hätte es so leicht und harmlos sein sollen. Doch sie konnte nicht.
Das
wäre intim gewesen. Denn nach allem, was sie durchgemacht hatten, hätte diese Berührung etwas bedeutet.
Ob er das wusste?
Mattie fühlte etwas für Jameson Cross. So quälend es war, das zuzugeben, sie war wahrscheinlich dabei, sich in ihn zu verlieben. Aber das konnte sie ihm nicht sagen. Jetzt konnte sie ihn noch nicht einmal ansehen. Was die Zukunft für sie beide bereithielt, davon hatte Mattie keine Ahnung, außer dass einer von ihnen sich vollständig erholen würde.
"Ich bin froh, dass es dir besser geht", war alles, was sie sagte.
46. KAPITEL
A cht Monate später
Mattie nippte an einem übervollen Becher Kaffee, während sie in der Lobby des Gerichtsgebäudes wartete. Durch das Koffein wurde Mattie nur noch zitteriger. Stattdessen hätte sie frühstücken sollen, sogar das Stück trockenes Rosinenbrot in ihrem Kühlschrank wäre besser gewesen als die grummelnde Leere in ihrem Magen.
Doch sie konnte nicht. Zu nervös. Schrecklich nervös. Sie war aus ihrem Haus in Sausalito hierher gerast, sobald sie die Nachricht erhalten hatte, dass die Geschworenen zu einem Urteil gekommen waren. Wie lange hatte Mattie darauf gewartet? Fast kam es ihr so vor, als ob ihr ganzes Leben von dieser Verhandlung abhinge und als ob alles stillstünde, solange sie nicht abgeschlossen wäre. Dank der Medien war der größte Teil des Landes genauso gespannt wie Mattie.
In einem niedrigen Alkoven hatte Mattie einen Platz entdeckt, von dem aus sie die drängelnde Masse unauffällig beobachten konnte. Nicht weit entfernt standen einige Anwälte der Verteidigung dicht zusammengedrängt und versuchten wahrscheinlich, das Urteil vorherzusagen. Mattie kannte die meisten von ihnen, und die Kollegen der Anklage ebenfalls. Doch sie hatte sie lediglich höflich gegrüßt und nicht mit ihnen über den Fall gesprochen.
Dass Mattie eine Auszeit von der Richterbank genommen hatte, bis ihre rechtlichen und persönlichen Belange geklärt sein würden, war allgemein bekannt. Das verschwundene Videoband war aufgetaucht und dokumentierte den körperlichen, emotionalen und sexuellen Missbrauch an der Rowe-Akademie. Gegen Mattie war zwar keine Anklage erhoben worden, trotzdem hatte sie sich zurückgezogen. Als ihr Haftminderung in Aussicht gestellt worden war, hatte Lane Davison ihre Beteiligung an dem körperlichen Missbrauch bereitwillig zugegeben. Außerdem war Lane vorgeworfen worden, sich gemeinsam mit ihrem verstorbenen Mann der Erpressung schuldig gemacht zu haben. Aber Lane hatte lediglich eingeräumt, das Video vom Dachboden entwendet zu haben, nachdem die Direktorin getötet worden war.
Mattie zweifelte Lanes Erklärung an, dass sie das Band habe verstecken wollen, weil ein Freund der Familie darauf zu sehen sei. Aus Gewissensbissen hatte Lane es nach eigener Aussage Jahre später ihrem Mann überlassen, damit er rechtliche Schritte unternähme. Angeblich hatte Lane geglaubt, dass sich Frank in aller Stille darum gekümmert habe und sich alle Parteien außergerichtlich geeinigt hätten. Glücklicherweise musste Mattie dieses Problem nicht lösen. Sie war hier heute nur Zuschauerin.
Draußen warteten zahlreiche Journalisten in einem abgegrenzten Bereich vor den Stufen des Gerichtsgebäudes, wo bereits Mikrofone für die Pressekonferenz aufgestellt worden waren. Mattie warf einen Blick auf ihre Uhr. Vielleicht war Breeze deshalb spät dran. Sich an den Massen der Zuschauer und Medien vorbeizudrängen, konnte sie aufgehalten haben.
Mattie hatte eigentlich damit gerechnet, Jameson hier anzutreffen. Dass ihn der Ausgang des Verfahrens nicht interessierte, konnte sie sich nicht vorstellen. Mattie war bei jeder
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