Das Ist Mein Blut
Nummer eintippte. »Was ist denn jetzt?«
Sie stellte den Lautsprecher an, so dass er die Tastentöne und gleich darauf das Freizeichen hören konnte. »Wie oft hast du versucht, die Baarer-Weiher zu erreichen?«, fragte Eva angespannt. Es läutete ein zweites Mal, ein drittes Mal. Die beiden sahen einander plötzlich beunruhigt an. Ein viertes Läuten, dann sprach, für beide hörbar, die kultivierte Frauenstimme vom Band: »Anschluss von Elisabeth Baarer-Weiher. Leider bin ich augenblicklich nicht erreichbar …«
Eva hängte ein. Das Büro schien auf einmal viel zu still. »Das muss natürlich überhaupt nichts bedeuten«, sagte Rainer, aber seine Stimme klang besorgt.
»Natürlich nicht«, stimmte Eva zu, die mit den Fingern nervös auf den Tisch trommelte.
»Und wenn, wüssten wir ja auch gar nicht was.«
»Hm.« Eva sah abrupt auf. »Wir müssen die Frau finden.«
»Und der Probst?« Rainer hielt seine Kollegin mit einer Geste zurück. »Wir haben sein Alibi noch nicht mal überprüft. Und was ist mit Margarete Hofmann, ich habe …«
»Verdammt, Rainer! Die laufen uns nicht weg, aber ich will wissen, warum die Baarer-Weiher nicht zu erreichen ist, kurz nachdem sie mit dem Toten in der Kirche war.«
Er wusste, dass es ein Fehler sein würde, an dieser Stelle zu lachen, aber er sah vor seinem geistigen Auge eine gepflegte Geschichtswissenschaftlerin in elegantem grauem Kostüm neben Kronauers still vor sich hinblutender Leiche auf einer Kirchenbank sitzen und prustete los. Eva warf ihm einen Blick eisiger Verachtung zu und verließ das Büro. Rainer kicherte noch eine Weile vor sich hin, aber das Lachen verging ihm, als er merkte, dass seine Kollegin nicht zurückkam.
»Die hat sich die Kollegin Schneider geschnappt und ist mit ihr weggefahren«, erklärte Friedolin, der kurz darauf über die Schwelle trat.
»Ohne was zu sagen«, brummelte Rainer und hätte gerne etwas über unprofessionelles Verhalten angefügt, aber Friedolin grinste breit und meinte mit einem hörbaren Anflug von Schadenfreude: »Ich soll bestellen, sie ist in Sachen Baarer-Weiher unterwegs, und wenn dein … Anfall vorbei ist, könntest du hier einen Zwischenbericht verfassen und alle Informationen, die wir bislang haben, in Ordnung bringen.«
»Danke«, knirschte Rainer. »Ich geh dann erst mal einen Kaffee trinken.«
»Sie sagt, der Bericht sollte fertig sein, wenn sie wiederkommt«, erklärte Friedolin süffisant. »Vorausgesetzt, du glaubst wieder soweit bei geistiger Gesundheit zu sein, dass du das schaffst.« Der junge Beamte schüttelte den Kopf. »Wie hast du es eigentlich fertiggebracht, sie so zu verärgern?«
Rainer zog missgestimmt die Schultern hoch. »Sie hat gesagt, dass die Baarer-Weiher mit dem Toten in der Kirche war.«
Friedolins Miene zeigte blankes Unverständnis. »Und?«
»Was und? Ich musste ein bisschen lachen.«
Er runzelte die Stirn. »Das ist doch nicht komisch«, meinte er ernsthaft. »Oder?«
»Schon gut«, seufzte Rainer und machte sich an die Arbeit, Telefonlisten abzugleichen, Anmerkungen zu überprüfen sowie Informationen zusammenzustellen und zu vergleichen. Dann schrieb er den verlangten Zwischenbericht und legte anschließend eine Zeittabelle an, in die er alle Aktivitäten und Telefonate Kronauers aufnahm, von denen sie bisher erfahren hatten. Darüber saß er eine ganze Weile, dachte über den gesamten Fall nach und ließ den Kaffee, den eine der Sekretärinnen ihm gebracht hatte, kalt werden. Kronauers Sonntag war beinahe vollständig erfasst: Am Morgen der Kirchenbesuch mit Elisabeth Baarer-Weiher … nein, verbesserte er sich, Kirche mit weiblicher Begleitperson, von der wir noch nicht wissen, ob es die Baarer-Weiher war. Auseinandersetzung mit dem Messner und mit Andi König. Abendessen bei Otto Glaubnitz, später Fahrt nach Gunzenhausen zum Gasthof, in dem Klara Weiß abgestiegen war. Der Nachmittag? Was hatte Kronauer in den Nachmittagsstunden getan? Und dann der Montag. Sie wussten nicht mehr, als dass er am Montag mit Exfreundin und Tochter am Brombachsee gewesen war. Den ganzen Tag lang, oder hatte er an dem Tag noch mehr getan? »Klara Weiß anrufen, wg. Montag fragen«, notierte er auf einem Zettel, ehe er sich wieder der Tabelle zuwandte. Der letzte Tag in Kronauers Leben, der Dienstag – Leere bis zu dem Moment am Nachmittag, als er sein Auto vor dem Ellinger Schloss geparkt und in Gabi Müllers Gaststätte nach dem Weg zum Windhof gefragt hatte. Wo hatte er eigentlich
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