Das Ist Mein Blut
wissen und reichte ihm das Bild des toten Journalisten. Weiher sah es nicht an; er blickte aus dem Fenster. »Elisabeth war mit ihm befreundet. Seinetwegen hat sie sich von ihrem Mann scheiden lassen. Wir sind uns einmal begegnet, kurz nach der Scheidung.«
Eva hoffte, dass ihre Kollegin mitschrieb und musste halb beschämt eingestehen, dass sie bei Rainer in der Hinsicht keine Zweifel gehabt hätte. Nur dass der seine Notizen wahrscheinlich später in einer Kaffeelache ertränkt hätte … Egal. Sie lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf den alten Weiher. »Sie sagen, Ihre Tochter hätte sich Kronauers wegen scheiden lassen? Waren die beiden denn ein Paar? Ich dachte, ihr Mann ist zuerst fremdgegangen, und sie hat Kronauer angeheuert, um das zu überprüfen.« Weiher zuckte mit den Schultern. »Möglich«, murmelte er reserviert. »Trotzdem hätte sie Georg verziehen, wenn der Kronauer nicht gewesen wäre.« Ein längeres Schweigen, dann richteten sich die feuchten Augen erst auf Sandra Schneider und ihren Notizblock, dann auf Evas Gesicht. »Ich kannte den Mann gar nicht«, stieß er heftig hervor. »Was wollen Sie von mir?«
»Wir möchten einfach mehr über Kronauers letzte Lebenstage wissen«, erwiderte Eva sehr ruhig. »Und Ihre Tochter spielt dabei eine Rolle, wir wissen nur nicht welche. Wir würden sie lieber selber fragen, aber da wir sie nicht erreichen können …«
Diesmal war sie sicher, dass ihr Gegenüber blass wurde. »Elisabeths Verschwinden hat nichts mit dem Kronauer zu tun«, rief Heinrich Weiher aufgewühlt.
Eva zog die Brauen hoch. »Wie können Sie sich so sicher sein?«, fragte sie. »Und da wir schon dabei sind, können Sie mir sagen, weshalb Sie den Antiquitätenhändler Hahn nach ihr gefragt haben? Ist das ebenfalls ein Freund Ihrer Tochter? Sie waren doch vorgestern in dem Antiquitätengeschäft, oder?«
Weiher nickte stumm. Eins zu null für Herwig Römer, dachte Eva, als sie sah, wie erschüttert er wirkte. Irgendetwas hatte der Mann mit der Sache doch zu tun.
Der alte Mann stand auf und goss sich ein Glas Wasser ein. Seine Hände zitterten ein wenig, als er es an die rissigen Lippen führte. »Ich habe die Sachen an den Wolfgang Hahn verkauft«, erklärte er dann leise. »Den Antiquitätenhändler. In den Vierzigern und Fünfzigern, das meiste davon.« Er fing Evas verständnislosen Blick auf und fuhr fort: »Schmuck, wissen Sie. Ringe und Ketten … den Aquamarinring, den er wiederhaben wollte, ebenfalls. Das Silber …«
»Den Kelch vielleicht auch?«, fuhr Eva plötzlich auf. Sie hatte keine Ahnung, wovon Weiher sprach, aber die Erwähnung von Silber ließ sie aufhorchen.
Weiher runzelte verwirrt die Stirn. »Der Kelch? Sie meinen den Abendmahlskelch? Ich habe nie verstanden, wieso er den nicht verkauft hat.«
»Er hat ihn der Kirche in Buchfeld gestiftet«, sagte Eva, aber ihr Gesprächspartner schüttelte entschieden den Kopf und murmelte: »Nein, er war doch mit in dem Koffer. Er hätte ihn leicht verkaufen können, sogar damals, er hätte gutes Geld eingebracht.«
Sandra Schneider schrieb unbeirrt mit, aber Eva konnte nicht einfach darüber hinwegsehen, dass das Gespräch jetzt für sie überhaupt keinen Sinn mehr ergab. »Von wem sprechen Sie denn eigentlich?«, erkundigte sie sich verwirrt.
»Von Martin Blumenthal«, antwortete Weiher, nun seinerseits überrascht. »Er hat meinem Vater damals den Koffer gegeben … Ich war dabei, ich war noch ein Kind. Ich habe damals nicht viel verstanden von dem, was da vor sich ging.«
Das ging Eva im Augenblick genauso. »Vielleicht fangen Sie noch mal ganz am Anfang an«, schlug sie vor.
24
Rainer kurbelte die Scheiben des Volvos herunter und ließ sich den Fahrtwind ins Gesicht wehen, während er die Landstraße entlangkurvte. Er hatte in der Station für Eva die Nachricht hinterlassen, dass er zum Brombachsee aufgebrochen sei, und er hoffte, dass Friedolin ihr das genau in diesem Wortlaut ausrichten würde. Schließlich war sie auch ohne Erklärung weggefahren und hatte dann nicht einmal am Telefon seine Neuigkeiten hören wollen. Tatsächlich bog er allerdings nicht in die Straße ein, die zum Nordufer des Sees führte, sondern fuhr weiter nach Pleinfeld, durch das Spalter Tor in den kleinen Marktflecken mit seinen schmucken Fachwerkhäusern. Er parkte am Straßenrand, ignorierte die Aufforderung, die Parkscheibe einzustellen, und stieg nachdenklich aus. Er war sich auf einmal nicht mehr ganz sicher, weshalb er eigentlich
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