Das Ist Mein Blut
alte Dame die beiden Polizisten ein, sobald sie sie erkannte.
»Kann ich noch etwas für Sie tun?«, fragte sie. Sie sah schlechter aus als bei ihrem ersten Besuch, fand Rainer, und bewegte sich langsamer. Die Vorstellung, sie könnte Elisabeth Baarer-Weiher auf einem Garagendach aufgelauert haben oder auch nur Kronauer zu den Ruinen nachgeschlichen sein, um ihn dort zu ermorden, war absurd, das musste er zugeben.
»Sie haben noch keinen Durchbruch erzielt bei Ihrem Fall? Kommen Sie ins Wohnzimmer.«
Ein zweites Mal setzten sie sich unter den prächtigen Wandteppichen auf das Sofa. Rainer sah unauffällig nach dem Medikamententisch, doch Eva kam sofort zur Sache: »Es tut mir leid, Sie noch einmal zu stören, aber wir müssen Ihnen noch eine Frage stellen.«
Frau Hofmann faltete die altersfleckigen Hände in ihrem Schoß. »Was ist denn?« Sie klang beunruhigt.
»Nun, es geht noch einmal um Dietmar Kronauers Besuch bei Ihnen. Wir haben in seinem Blut ein starkes Schlafmittel gefunden, für das wir keine Erklärung finden konnten. Er hätte es kaum selbst um diese Zeit zu sich genommen, während er noch unterwegs war. Sie waren, soweit wir wissen, die letzte Person, bei der er sich aufgehalten hat, Sie haben ihm etwas zu trinken angeboten, und Sie nehmen offensichtlich Medikamente.« Die Augen der alten Frau wurden schmal vor Empörung, aber Eva sprach weiter, ehe sie etwas sagen konnte: »Wir fragen uns, ob die Möglichkeit besteht, dass Sie ihm dieses Mittel gegeben haben könnten – versehentlich, vielleicht, dass Sie ihm die Tasse gegeben haben, die für Sie bestimmt war?«
Frau Hofmann schien sich in sich selbst zurückzuziehen, verärgert oder verletzt, und ihr Mund wurde zu einem dünnen, blutleeren Strich. Dann strich sie sich langsam über ihren Rock und sagte steif: »Ich bin noch nicht so alt, dass ich nicht mehr wüsste, was ich tue. Ist es das, was Sie denken? Eine verwirrte alte Frau, die ihre Gäste vergiftet?« Keiner der beiden sagte etwas, und nach einem kurzen, peinlichen Schweigen wurde die aufgeregte Frau wieder ruhiger. »Entschuldigen Sie. Sie müssen das natürlich fragen, und es scheint auch die einzige Erklärung zu sein.« Sie dachte nach. »Ich glaube nicht, dass mir so etwas passieren könnte. Es ist fast nicht vorstellbar für mich.«
»Aber es wäre möglich?«, drängte Eva. Die alte Dame kniff die Augen zusammen und blickte weg, dann sagte sie steif: »Alles wäre möglich. Wenn es keine andere Erklärung gibt. Aber ich kann es trotzdem nicht glauben.«
Eva nickte. Das war verständlich. Wer würde schon so einen Fehler zugeben wollen – oder auch nur die Möglichkeit eines solchen Versehens? »Nehmen Sie Schlafmittel ein?«, fragte sie dennoch stur weiter, was eben gefragt werden musste. Frau Hofmann deutete zu ihrem Medikamententisch. »Da ist alles drauf, was ich einnehme. Das Schlafmittel ist die kleine Flasche ganz rechts.«
»Wir schreiben uns das alles auf, wenn Sie nichts dagegen haben«, erklärte Rainer – eine Höflichkeitsfloskel, die keinen der Anwesenden täuschte, weil Eva bereits begonnen hatte, sich Notizen zu machen. Als sie damit fertig war, wandte sie sich wieder der Hausherrin zu. »Ich würde gerne noch eines wissen: Sie sagten, Sie kannten Dietmar Kronauer nicht, bevor er zu Ihnen zu Besuch kam.«
»Das ist richtig«, antwortete sie würdevoll. Rainer wartete auf die eine Frage, die ihn schon die ganze Zeit beschäftigte, die Frage nach dem Telefonanruf, der in Wirklichkeit von ihr gekommen war, aber Eva dachte offenbar an etwas ganz anderes, denn sie sagte: »Ihr Nachbar, Bernd Kahlert – hat er Kronauer gekannt?«
»Das weiß ich nicht«, erwiderte sie überrascht. »Ich weiß nichts davon, aber vielleicht war Herr Kronauer bei ihm in dieser Surfschule. Das könnte ich mir vorstellen.« Sie lächelte beinahe, jedenfalls entspannte sich ihr schmaler Mund, als sie hinzufügte: »Das war schließlich ein sportlicher junger Mann, dieser arme Herr Kronauer. Er sah aus wie jemand, der sich für so einen wilden Sport interessieren könnte.«
»Frau Hofmann«, meinte Rainer, dem immer noch die Telefonfrage auf den Lippen lag, aber Eva trat ihm unauffällig auf den Fuß, bedankte sich bei der alten Dame und machte Anstalten zu gehen. In der Tür drehte sie sich aber noch einmal um. »Eine letzte Frage noch«, sagte sie dann. »Kannten Sie vielleicht eine Frau Elisabeth Baarer-Weiher?«
Frau Hofmann schüttelte den Kopf, aber die vielen vermeintlich
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