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Das Jahr der stillen Sonne

Das Jahr der stillen Sonne

Titel: Das Jahr der stillen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilson Tucker
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Zahlen und Menschen. Die Erleichterung, die ein Plastikmagen mit sich bringt, kann einen Wähler veranlassen, der aktiven Partei A den Rücken zu kehren und sich der konservativen Partei B anzuschließen; seine Stimme kann ein Wahlergebnis beeinflussen, und die konservativen Gewählten schieben unter Umständen die Lösung eines Problems hinaus, das schon gestern dringend war. Die Großen Seen sind nur deshalb zu einem Problem geworden.«
    »Zu einem Problem?« fragte Saltus erstaunt.
    »Die Seen haben den bisher höchsten Wasserstand erreicht und überfluten fünfzehntausend Kilometer Ufer«, erklärte Chaney ihm. »Seit achtzig Jahren fällt im Einzugsbereich der Großen Seen ständig mehr Regen, und der hohe Wasserstand verursacht Schäden. Die Leute haben sich daran gewöhnt, daß gelegentlich ein Sommerhaus im See versinkt – aber bald wird noch mehr hineinfallen. Strände verschwinden, und das tiefliegende Land versumpft. Das sind traurige Aussichten.«
    »Wenn wir nach Chicago kommen, müssen wir nachsehen, ob die Michigan Avenue schon versunken ist!«
    »Das ist kein Scherz. Vielleicht ist sie wirklich unter Wasser.«
    »Verhängnis, Untergang und Verderben!« rief Saltus aus. »In allen Büchern und Zahlenreihen wird immer nur der bevorstehende Untergang verkündet.«
    »Ich habe erst ein Buch veröffentlicht. Darin war nicht von einem Untergang die Rede.«
    »William hat es als Blödsinn bezeichnet. Ich habe es nicht gelesen – ich bin keine Leseratte, Mister –, aber ihm hat es anscheinend wirklich nicht gefallen. Und Katrina hat gesagt, die Zeitungen hätten Sie kritisiert.«
    »Sie haben über mich geredet«, stellte Chaney fest. »Übles Geschwätz!«
    »Erinnern Sie sich noch, daß Sie zwei oder drei Tage zu spät angekommen sind? Wir mußten über irgend etwas reden, deshalb haben wir über Sie gesprochen – aus Neugier, weil Sie der einzige Zivilist in einem militärischen Team sein sollten.
    Katrina wußte alles über Sie; sie muß Ihre Personalakte gut studiert haben. Sie hat gesagt, Sie hätten mit allen Schwierigkeiten: mit Ihrer Firma, mit Kritikern, Gelehrten, Kirchen und … einfach mit allen.« Saltus beobachtete ihn aus dem Augenwinkel heraus. »Der alte William hat behauptet, Sie legten es darauf an, die Fundamente des Christentums zu zerstören. Folglich müssen Sie irgend etwas getan haben, Mister. Haben Sie die Fundamente angeknabbert?«
    »Ich habe zwei Schriftrollen ins Englische übersetzt und sie veröffentlicht«, antwortete Chaney resigniert. »Diese Mühe hätte ich mir allerdings sparen können – oder ich hätte bei irgendwelchen interessanten Ausgrabungen mithelfen sollen. Bestenfalls zehn Prozent der Leser haben mein Buch langsam und sorgfältig genug gelesen, um zu begreifen, was es bedeutet. Die übrigen neunzig Prozent haben schon Krach geschlagen, bevor sie die Hälfte gelesen hatten.«
    Saltus nickte grinsend. »William hat Krach geschlagen, und Katrina war offenbar leicht schockiert, aber Gilbert Seabrooke muß es langsam gelesen haben. Katrina hat uns erzählt, daß er Sie in Schutz genommen hat. Ich habe es nicht gelesen und werde voraussichtlich gar nicht erst damit anfangen. Was bin ich also?«
    »Ein ehrlicher Neutraler, der in Gefahr ist, eingeschüchtert zu werden.«
    »Okay, Sie können ja versuchen, mich einzuschüchtern, Mister!«
    »Ich möchte nicht, daß Sie wie die anderen auf mich einreden, Kapitän, deshalb muß ich Ihnen zuerst ein Wort erklären: Midrasch.«
    »Und was bedeutet es?«
    »Es ist ein hebräisches Wort, das Fiktion, religiöse Fiktion, bedeutet. Sie können es mit allen möglichen modernen Kategorien vergleichen – geschichtlichen Romanen, Kriminalstories, Science-fiction. Die alten Hebräer hatten eine Vorliebe für Midrasch; sie haben für ihre Geschichten biblische Ereignisse und Personen verwendet. Alle Gelehrten sind sich darüber einig, aber die Öffentlichkeit weiß anscheinend nichts davon. Die Leser glauben offenbar, daß alles, was vor zweitausend Jahren geschrieben worden ist, von irgendeinem Heiligen stammen muß.«
    »Wahrscheinlich hat es ihnen niemand erzählt«, warf Saltus ein. »Haben Sie ihnen das Wort Midrasch erklärt?«
    »Natürlich! Ich habe zwölf Seiten der Einführung darauf verwendet, den Begriff zu erklären!«
    »Ah, das war Ihr großer Fehler, Zivilist!« rief Saltus aus. »Wer hat schon Lust, zwölf Seiten lang am Knochen zu knabbern, um endlich ans Mark zu kommen?« Er sah Chaneys Gesichtsausdruck und

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