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Das Jahr der stillen Sonne

Das Jahr der stillen Sonne

Titel: Das Jahr der stillen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilson Tucker
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ungewöhnliches Ausweichziel entschieden«, erklärte Chaney ihm. »Falls wir nicht die Zukunft untersuchen können, soll unser Team in die Vergangenheit reisen und die Kreuzigung filmen.«

5
     
    Brian Chaney erreichte den Besprechungsraum als letzter. Er war zu Fuß gegangen.
    Kathryn van Hise hatte ihnen angeboten, mit ihr zu fahren, und Arthur Saltus war sofort in die olivgrüne Limousine gestiegen, um vorn neben ihr sitzen zu können. Chaney ging lieber zu Fuß. Katrina sah zu ihm hinüber, als der Wagen an ihm vorbeirollte, aber er konnte ihren Gesichtsausdruck nicht deuten. War sie enttäuscht? Oder nur irritiert?
    Er hatte das Gefühl, daß Katrinas Antipathie langsam abnahm, und das war erfreulich.
    Die Sonne stand heiß am Junihimmel. Chaney hätte sich lieber auf die Suche nach dem Swimming-pool gemacht, aber er wollte sich nicht schon wieder verspäten. Die massive Tür des Stahlbetongebäudes ließ sich fast geräuschlos zur Seite schieben. Chaney trat in den Besprechungsraum – und blieb verblüfft stehen, als er den Major sah. Saltus gab ihm ein Zeichen, er solle den Mund halten.
    Major Moresby kehrte Chaney und dem Raum den Rücken zu. Er stand zwischen dem Tisch und der glatten Wand, hatte die Hände zu Fäusten geballt und war zornrot. Kathryn van Hise war damit beschäftigt, mehrere Blätter Papier aufzuheben, die vom Tisch gefallen oder geworfen worden waren.
    Chaney schloß leise die Tür hinter sich, trat an den Tisch und warf einen Blick auf die Blätter vor seinem eigenen Platz. Er erschrak fast, als er sah, daß dort Fotokopien der zweiten Schriftrolle lagen, die er übersetzt und veröffentlicht hatte. Die ersten neun Blätter zeigten das Eschatos -Dokument mit seinen quadratischen Buchstaben von der ersten bis zur letzten Zeile; die übrigen enthielten Chaneys Übersetzung.
    »Katrina! Was sollen wir damit?«
    Die junge Frau legte die Blätter auf den Platz vor Moresbys Stuhl zurück. »Das ist der heutige Lernstoff, Sir.«
    »Nein!«
    »Doch, Sir.« Kathryn van Hise setzte sich und wartete darauf, daß Chaney und der Major ebenfalls Platz nahmen.
    »Ist das wieder eine von Seabrookes idiotischen Ideen?« fragte Chaney erbittert.
    »Uns ist es damit ernst, Mr. Chaney.«
    »Aber mir nicht, Miss van Hise! Das hier hat nichts mit dem Indic-Bericht zu tun, nichts mit Statistiken, nichts mit der Zukunft – nichts, gar nichts!«
    »Mr. Seabrooke ist anderer Meinung.«
    »Gilbert Seabrooke ist hier oben nicht ganz richtig!« behauptete Chaney. »Richten Sie ihm das bitte aus. An seiner Stelle …« Er starrte die junge Frau wütend an. »War das ein weiterer Grund, mich in das Team aufzunehmen?«
    »Ja, Sir. Sie sind die einzige Autorität auf diesem Gebiet.« Katrina hob abwehrend die Hand. »Sir, Mr. Seabrooke glaubt, daß dieser Text etwas mit der geplanten Untersuchung zu tun haben könnte. Er wünscht deshalb, daß wir uns damit befassen.«
    »Aber das hier hat doch nichts mit einem zukünftigen Chicago zu tun!«
    »Vielleicht doch, Sir.«
    »Bestimmt nicht! Es ist ein Märchen, ein bloßes Phantasieprodukt, das sich jemand ausgedacht und seinen Schülern erzählt hat – oder den Bauernlümmeln.« Chaney holte tief Luft. »Damit vergeuden wir unsere Zeit, Katrina.«
    »Wieder nur Midrasch, Mister?« warf Saltus ein.
    »Midrasch«, stimmte Chaney zu. Er sah zu Moresby hinüber. »Dieser Text hat nichts mit der Bibel zu tun, Major. Es handelt sich dabei um eine unbedeutende Prophezeiung, die phantastisch ausgeschmückt ist: die Geschichte eines Mannes, der zweimal gelebt und Drachen vom Himmel vertrieben hat. Hätten die Gebrüder Grimm sie als erste entdeckt, hätten sie sie in ihre Märchensammlung aufgenommen.«
    »Wir sollen sie aber studieren«, stellte Katrina fest.
    Chaney ließ sich nicht einschüchtern. »Die Jahrhundertwende ist nur zweiundzwanzig Jahre von uns entfernt, aber dieses Dokument bezieht sich auf das Ende der Welt. Es beschreibt das Ende – die letzten Tage. Ich habe ihm den Titel ›Eschatos‹ gegeben – ›Das Ende der Dinge‹. Glaubt Seabrooke wirklich, daß das Ende der Welt in zweiundzwanzig Jahren bevorsteht?«
    »Nein, Sir, das glaubt er bestimmt nicht, aber er hat uns angewiesen, es zur Vorbereitung auf Ihre Reise sorgfältig zu studieren. Vielleicht existiert doch eine lockere Verbindung.«
    »Welche?« erkundigte Chaney sich.
    »Wir denken dabei in erster Linie an das blendendhelle Licht, das den ganzen Himmel erfüllt. Das könnte eine Anspielung auf den

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