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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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hatte einen windigen Gebrauchtwagenhändler aufgetan, der dicke Schlitten nach Persien verkaufte. Mercedes vor allem. Mercedes stand in Persien hoch im Kurs. Irgendwann wurde ich zusammen mit dem Händler erwischt. Drei Jahre Knast, von denen ich zwei absitzen musste. 1969 kam ich raus, ziemlich desorientiert. Ich glaubte, etwas nachholen zu müssen, mich für die Zeit im Knast entschädigen zu müssen – und einige Monate später der Banküberfall. Sechs Jahre, dazu das eine Jahr, das ich auf Bewährung hatte. Die große Kelle, wie man so sagt. Ich musste alles bis auf den letzten Tag absitzen, weil ich mich weigerte, das Versteck der Beute preiszugeben.«
    Fred wirkte wie verzaubert. Die Story hatte ihm gefallen. Eine Outlaw-Story nach seinem Geschmack. Bis weit über die Mittagszeit hinaus unterhielten wir uns, obwohl wir beide saumüde waren, über Rock’n’Roll, den Knast, über Autos und Träume. Dabei kamen wir uns näher, wurden vertraulich, zwei Menschen, die sich schon eine Ewigkeit nach intensiven Gesprächen gesehnt hatten und nun endlich auf den geeigneten Partner gestoßen waren.
    Fred, der stramm auf die vierzig zuging, entpuppte sich, für mich allerdings nicht überraschend, als lebensuntüchtiger Mann, der völlig unter der Fuchtel seiner Mutter stand – abgebrochenes Literatur-Studium, hin und wieder ein Job, in den letzten zwei Jahren nichts, das im landläufigen Sinn als Arbeit bezeichnet werden konnte. Seit zehn Jahren schrieb er an einem Roman über Existentialisten im Paris der 50er Jahre; seine Mutter, die ein beachtliches Aktienpaket besaß, steckte ihm Geld zu, hielt ihn aber an der kurzen Leine, wenn er nicht parierte.
    Wieder das geheimnisvolle Lächeln. »Ich habe ein Auto. In einer Garage. Nur ein paar Schritte von hier. Einen Oldtimer …« Kurze Pause, um die Spannung zu erhöhen. »Einen Buick Limited Riviera von 1958. Know what I mean? Ein Straßenkreuzer mit Heckflossen, Doppelscheinwerfern, Chrom in rauhen Mengen, Servolenkung, elektrischen Fensterhebern, V8-Motor, 300 PS.« Seine Augen leuchteten, als hätte er soeben vom Paradies erzählt – und in gewisser Weise hatte er das ja auch, wenn man riesige Blechkisten mit schlechten Stoßdämpfern und mieser Straßenlage liebte. Das Modell kannte ich natürlich, weil die Amis auch in Würzburg recht präsent waren und ich in meiner Kindheit deren Straßenkreuzer angehimmelt hatte.
    »Ist er fahrtüchtig?«
    »Was denkst du denn. Und vollgetankt ist er auch. Ich hab sogar einen Kassettenrekorder einbauen lassen. Er hat auch einen Namen.«
    »Der Kassettenrekorder?«
    Fred starrte mich verwundert an. »Der Buick. Er heißt Buddy.«
    »Schöner Name«, sagte ich. »Aber du hast hoffentlich nicht nur Elvis-Kassetten.«
    Wir mussten beide lachen, unsere Blicke trafen aufeinander, und jeder erkannte in den Augen des anderen einen Schimmer des Wohlbefindens sowie ein Glitzern, das Abenteuerlust und immer noch jungenhafte Lust am Aufbegehren verriet.
    »Heute Nacht bin ich von einem ehemaligen Knastbruder ausgeraubt worden. Ich wollte mir für 500 Mark einen alten Opel oder so was kaufen. Jetzt hab ich noch einen Hunderter. Dafür kriegt man nicht mal ’ne Rostlaube mit aufgeschlitzten Sitzen und überquellendem Aschenbecher. Vom Benzin ganz zu schweigen.«
    Fred schob die Unterlippe vor, was seine Nachdenklichkeit optisch perfekt zur Geltung kommen ließ. »You know, ich würde dich gern nach Hamburg kutschieren. Geht aber nicht, weil ich meine Mutter in zwei Tagen zu ihrer Freundin nach Bad Homburg fahren muss. Natürlich nicht im Buick. In den würde sie niemals einsteigen. In einem Leihwagen. Sie kennt einen Autovermieter, der ihr Prozente gibt. Vielleicht linkt er sie auch, aber er kommt bei ihr gut an, weil er, was weiß ich, einen guten Riecher hat und sich als der bessere Sohn, als der Sohn, den sie lieber gehabt hätte, aufspielt.« Er zuckte, scheinbar gelangweilt, die Achseln. Aber es zuckte auch um seinen Mund.
    Und mir war die Wendung zu Freds Mutter-Sohn-Problematik eher peinlich. Ich winkte betont locker ab. »Mach dir keine Gedanken. Ich nehm den Zug. Du hast mir schon enorm geholfen. Dafür werd ich dir ewig dankbar sein.« Freds Hundeblick ließ mich schnell weiterreden: »Der Kaffee- und Bohnerwachsgeruch in dieser Wohnung erinnert mich übrigens intensiv an mein Elternhaus. Als ich hier reinkam, wurde ich sofort, wie soll ich’s sagen, von Emotionen eingehüllt wie in eine Daunendecke.«
    Nun war es Fred, der,

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