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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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vielleicht ihren Spaß haben, wenn sie mich mit Bierflaschen und Beleidigungen bombardieren. Dann rasten meine Leute aus – und schon entsteht eine Massenschlägerei. Das halt ich nicht aus, Hans, das geht nicht.« Er war völlig mit den Nerven runter. Angst hatte sich in seinen Kopf geschlichen, die alte, allzu vertraute Angst vor den anderen und ihrer andersartigen Kultur.
    Mir gefiel ganz und gar nicht, was ich vor mir sah: einen zitternden, hastig atmenden jungen Mann, der nicht den Eindruck machte, in etwa zwanzig Minuten energiegeladen und siegessicher auf die Bühne stürmen zu können. Mir schlug der Anblick, verbunden mit Horror-Vorstellungen von der nächsten, der dunkelsten Stunde in Bülents Leben voll auf den Magen. Am liebsten hätte ich gekotzt. Durfte natürlich nicht sein. Also redete ich intensiv auf das Nervenbündel ein. Auf alle möglichen Arten: mit leicht belegten Engelszungen, sanft und mütterlich, väterlich besorgt, kumpelhaft vertraulich, mit der Guter-Cop-böser-Cop-Nummer, kühl und sachlich, dann wieder aggressiv, genervt, schließlich schluchzend. Half leider alles nichts. »Tony Sheridan ist da, verdammt noch mal!«, schrie ich ihn an. »Der Typ, der mit den Beatles
My Bonnie
so knallhart gebracht hat!« Müdes Achselzucken. Es war vorbei. Draußen im Saal der brummende Strom aus dreihundertfachem Gemurmel, die Instrumente wurden gestimmt, auf die coole Weise, klar, selbstsicher bis zum Geht-nicht-mehr. Dreckiges kurzes Solo von Mick, ein blubbernder Basslauf von Henrik, auf jeden Fall gute Laune. Kurze Ansage von Eddy, offenbar mit Witz, der hier ankam, weil gelacht wurde. Der Name hallte laut und deutlich durch den Saal: »Elvis Vegas, jetzt!«
    Schon tauchte der Chef des Ladens auf, zuversichtlich grinsend, mit den Augen zwinkernd. »Okay, Elvis Vegas, dein Auftritt!«
    Müde tätschelte ich Bülents Arm, hätte beinahe ›lass uns nach Hause gehen‹ gesagt, doch der Arm, den ich so müde tätschelte, schnellte, gemeinsam mit dem Rest des Körpers, in die Höhe – ich dachte, verflucht, jetzt hat er auch noch einen Stromschlag bekommen –, der kleine Mistkerl war plötzlich voll da, Energie versprühend, tatendurstig, hatte die Angst hinweggewischt, sein Grinsen war noch immer angespannt, doch immerhin ein Grinsen. »Denen zeig ich’s«, stieß er hervor – und stürmte auf die Bühne. Dürftiger Applaus. Er warf dennoch beide Arme hoch, in Siegerpose, gab der Band das Zeichen, zählte »one, two, three, four« ins Mikrophon – schon brach das Gewitter los, mit
Ready Teddy
, schnell, knallhart, krachend, riss das Publikum von der ersten Sekunde an mit, auf den Gesichtern der Teds und Rocker machte sich ungläubiges Staunen breit. Als der Song zu Ende war, brüllten und schrien, pfiffen und klatschten die Zuhörer wie besessen. Der Sänger lachte gelöst. Von Verzagtheit keine Spur. »Ist es das, was ihr wollt? Ist das geil?«, brüllte er ins Mikrophon. »Jaaaa!«, brüllte der Saal. »Du bist ’ne Granate, Alter!«, schrie einer der Rocker verzückt. Bülent warf die Lederjacke hinter sich, stampfte dreimal mit dem Fuß auf, dann folgte ein Medley aus
Jailhouse Rock, Long Tall Sally, Hard Headed Woman
und
Tutti Frutti
– und der Saal begann zu kochen.
    Es war geschafft. Ein sahniges Gefühl des Wohlbefindens überflutete mich, so weich, so warm, ließ mich schweben und träumen.
    Später verstärkte der Schwarze, Tommy Thompson, der aus Trinidad kam und eigentlich Jazzer war, mit dreckigen Saxophon-Phrasen die allgemeine Euphorie – bei Stücken wie
King Creole
und
Trouble
. Auf die Trompete verzichtete er klugerweise, hatte sofort kapiert, dass hier nur dieser dreckige Saxophon-Sound in Frage kam. Bülent bewegte sich so lasziv wie der echte Elvis, sein ganzer Körper war scheinbar spielerisch im Einsatz – mit dem erhofften Erfolg, Bülents Visionen erfüllten sich: kreischende, verzauberte Mädchen kämpften sich vor, schmachteten ihn an, darunter einige, die ihm alles geben würden – schon die erträumte Groupie-Schiene. Die Teds tanzten Rock’n’Roll wie aus dem Bilderbuch, die Rocker, nicht ganz so gelenkig, knallten mehr oder weniger rhythmisch ihre Stiefelabsätze auf den Boden, die Jeans-Jacken-Abteilung schüttelte wild, im Headbanger-Stil, die Köpfe, und der Türken-Block, völlig entrückt, klatschte sich im Takt die Handflächen wund. Super Stimmung, frei von Aggressivität, beglückendes Kollektiverlebnis im Zeichen des Rock’n’Roll. Was die

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