Das Jahr des Hasen
Tierarzt?«
»Ja, den Mattila, aber der ist nicht von hier, der kommt immer nur im Sommer, den Winter verbringt er in Helsinki. Sein Haus steht da drüben am Seeufer. Wenn du aufs Kioskdach steigst, zeig ich dir, welches Haus es ist.«
Vatanen kletterte aufs Kioskdach. Das Mädchen stand unten und erklärte ihm, wohin er blicken mußte und welche Farbe das Haus hatte. Vatanen befolgte die Anweisungen und erkannte die Villa des Tierarztes. Dann kletterte er wieder herunter, das Mädchen stützte ihn am Hintern.
Der Tierarzt Mattila gab dem Hasen eine kleine Sprit ze und verband sorgfältig den Hinterlauf.
»Er hat einen Schock erlitten. Der Lauf wird wieder gesund. Falls Sie ihn in die Stadt mitnehmen, besorgen Sie ihm frischen Salat, den frißt er. Den Salat gut ab spülen, damit das Tier keinen Durchfall bekommt! Und zu trinken nur frisches Wasser!«
Als Vatanen zum Kiosk zurückkehrte, saßen dort ein paar Männer herum. Das Mädchen stellte Vatanen vor: »Hier ist er, der Mann mit dem Hasen.«
Die Männer tranken Bier. Der Hase interessierte sie sehr, sie erkundigten sich eingehend nach ihm und versuchten, sein Alter zu schätzen. Einer der Männer erzählte, er gehe immer vor dem Heumachen durch die Wiesen und rufe dabei laut, um die im Gras versteckten Junghasen zu warnen.
»Sie geraten sonst in die Mähmaschine. Einen Som mer waren es drei Stück, bei dem ersten waren die Ohren abgeschnitten, bei dem zweiten die Hinterpfoten, der dritte war in zwei Teile geteilt. Wenn ich sie vorher verscheucht habe, ist nie einer in den Mäher gekom men.«
Das Dorf gefiel ihm so sehr, daß Vatanen viele Tage blieb und in einer Dachkammer wohnte.
3. KAPITEL
Vorkehrungen
Vatanen bestieg den Linienbus nach Heinola, denn auch im freundlichsten Dorf soll man nicht endlos herumlun gern.
Vatanen saß ganz hinten mit dem Hasen im Korb. Vor ihm saßen ein paar Bauern und rauchten. Als sie den Hasen sahen, knüpften sie ein Gespräch an: Es gebe in diesem Sommer ungewöhnlich viele Junghasen, und ob der hier wohl ein Männchen oder Weibchen sei. Schließ lich fragten sie Vatanen, ob er den Hasen schlachten und aufessen wolle, wenn er ausgewachsen wäre. Vata nen verneinte entschieden. Darauf wurde entgegnet, daß ja auch keiner seinen eigenen Hund schlachte und daß man sich manchmal eher an ein Tier als an einen Men schen gewöhne.
Vatanen nahm ein Hotelzimmer, wusch und rasierte sich und ging nach unten, um etwas zu essen. Es war Mittag, aber das Restaurant war leer. Er setzte den Hasen auf einen Stuhl neben sich.
Der Ober, der die Speisekarte brachte, sprach ihn an: »Eigentlich ist der Aufenthalt von Tieren hier verboten.«
»Er ist nicht gefährlich.«
Vatanen bestellte ein Gericht für sich und für den Ha-sen frischen Salat, geriebene Möhren und frisches Was ser. Der Ober sah Vatanen mißbilligend an, als er den Hasen auf den Tisch vor die Salatschüssel setzte, sagte aber nichts mehr.
Nach der Mahlzeit rief Vatanen von der Hotelhalle aus seine Frau in Helsinki an.
»Aha, du bist es!« schrie sie wütend. »Aus welchem Loch rufst du an? Komm sofort nach Hause!«
»Ich wollte eigentlich überhaupt nicht mehr nach Hause kommen.«
»Was du nicht sagst! Du bist übergeschnappt, dir wird nichts anderes übrigbleiben, als herzukommen. Mach keine Zicken! Du verlierst noch deinen Job! Antero und Kerttu wollen uns heute abend besuchen, was soll ich denen bloß sagen?«
»Sag, ich bin von zu Hause weggelaufen, das ist we nigstens nicht gelogen.«
»Das kann ich doch nicht sagen, was sollen sie denken? Glaub bloß nicht, daß ich einer Scheidung zustimme, falls du das erreichen willst! Du kommst mir nicht so einfach davon, wo du mein ganzes Leben zerstört hast. Acht Jahre habe ich durch dich verloren! Ich war verrückt, dich zu nehmen!«
Sie fing an zu weinen.
»Heul schneller, das Gespräch wird teuer genug.« »Wenn du nicht sofort kommst, geh ich zur Polizei,
dann wirst du sehen, was passiert, wenn man einfach von zu Hause abhaut!«
»Die Polizei wird sich kaum dafür interessieren.« »Daß du’s weißt, ich rufe sofort Antti Ruuhonen an,
ich stehe keineswegs allein.«
Vatanen legte auf.
Dann rief er seinen Freund Yrjö an. »Du, Yrjö, ich würde dir das Boot verkaufen.« »Tatsächlich? Von wo rufst du an?« »Aus der Provinz, aus Heinola. Ich will in nächster
Zeit nicht nach Helsinki kommen, und ich brauche Geld. Kaufst du das Boot?«
»Na klar. Gibst du’s mir für
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