Der Esper und die Stadt
1
Ich war unterwegs zum Arbeitsamt in der Oberstadt. Der Bürgersteig war weich und grün, die Bäume warfen Schatten. Es wehte ein warmer Wind.
Ich blieb an einem Snack-Automaten stehen, sah mir die Frühstücksbilder an und beobachtete einen Mann, der seine Kreditkarte in den Schlitz steckte und sich eine Tasse Kaffee zog. Es war ein junger Bursche, kaum älter als ich. Ich konnte den Kaffee riechen. Den Tag davor hatte ich mittags und abends nur heißes Wasser gehabt, und auch zum Frühstück. Obwohl ich ein gutes Gefühl im Magen hatte, war ich schwach auf den Beinen.
Die morgendlichen Vibrationen sind stets in Ordnung. Die Leute gehen an einem vorbei und strahlen gute Laune aus. Ich machte mir dieses Gefühl zu eigen, bis ich plötzlich zu der Ansicht kam, der Snack-Automat müsse mir etwas gratis geben – aus reiner Freundlichkeit.
Ich schob meine Kreditkarte in den Schlitz und drückte die Knöpfe, um mir eine Tasse Kaffee mit zwei Spritzern Milch, zwei Stückchen Zucker und eine Portion Rührei zu ziehen. Meine Hände fingen an zu zittern. Das Wasser lief mir im Mund zusammen. Aus den Fenstern der umliegenden Häuser nahm ich den Duft von Speck, geröstetem Plankton und Butter auf heißem Toast wahr.
Der Automat ließ ein rotes Licht aufleuchten: „Konto nicht gedeckt“. Dann spuckte der Schlitz meine Kreditkarte wieder aus. Ich nahm sie und ließ sie fallen.
Der Mann, der seinen Kaffee trank, sah auf meine zitternden Hände und musterte mein Gesicht. Aber Hunger sieht man nicht von außen. Ich hatte schon hundert Pfund verloren und war immer noch nicht mager. Und er konnte auch meine Vibrationen nicht ertasten. Mein Gesicht ist rund und strahlt gute Laune aus. Wie das eines Kindes, aber ich bin erwachsen.
Ich hob die Karte wieder auf und grinste ihn an. Er grinste zurück.
„Wohl ’ne heiße Nacht gehabt?“ fragte er freundlich. Ob er damit meinte, ich sei mit einem Mädchen zusammen gewesen?
Ich hob zustimmend zwei Finger, und er ging grinsend weiter. Seine Vibrationen sagten mir, daß er sich an ein paar tolle Nächte erinnerte, nach denen auch ihm des Morgens die Knie gezittert hatten.
Bei den nächsten drei Blocks versuchte ich mein Glück an zwei weiteren Snack-Automaten, aber es gab nichts zu essen.
Die besten Nahrungsautomaten von New York sind in der Künstler- und Bildhauer-Kommune. Künstler haben nämlich keine Lust zum Kochen, wenn sie gerade an etwas arbeiten. Als ich zum Arbeitsamt ging, kam ich daran vorbei. Ich ging durch eine große, säulenbewehrte Arkade und einen Park, der den unteren Teil des halbkreisförmigen Gebäudes einnahm. Überall waren kleine Vorgärten auf den Terrassen, die wie Balkons oder Vorsprünge aussahen. Ich hörte das Schnurren eines Steinmessers und irgendwo ein Hämmern. Wenn sie sich unter den Bäumen aufhielten, konnte man die Künstler selten sehen.
Ich fand diese Maschine, die auf chinesisches Essen spezialisiert ist, und probierte meine Kreditkarte an ihr aus. Ich drückte ein Ei „Foo Yong“ und sah mir die hübschen Essensbilder an. Der Automat hielt meine Karte eine Weile fest, dann stieß er sie wieder durch einen anderen Schlitz aus. Das rote Lämpchen leuchtete nur einmal auf. Der Automat war zwar freundlicher als die anderen, aber so freundlich, daß er mir ein Essen spendierte, war er nun auch wieder nicht.
„Hallo, George“, rief einer der Bildhauer und hielt mit seiner Tätigkeit inne. Er hielt Hammer und Meißel in der Hand und hatte gerade eine Statue bearbeitet. Der Bildhauer lachte jedesmal über einen Witz, den es zwischen uns gab; meist bevor er ihn überhaupt ausgesprochen hatte.
„Wie findest du mich, George?“ fragte er.
Sein Gesicht war von der Arbeit gerötet, denn es machte ihm Spaß, Skulpturen in der
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