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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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    Ich war un­ter­wegs zum Ar­beitsamt in der Ober­stadt. Der Bür­ger­steig war weich und grün, die Bäu­me war­fen Schat­ten. Es weh­te ein war­mer Wind.
    Ich blieb an ei­nem Snack-Au­to­ma­ten ste­hen, sah mir die Früh­stücks­bil­der an und be­ob­ach­te­te einen Mann, der sei­ne Kre­dit­kar­te in den Schlitz steck­te und sich ei­ne Tas­se Kaf­fee zog. Es war ein jun­ger Bur­sche, kaum äl­ter als ich. Ich konn­te den Kaf­fee rie­chen. Den Tag da­vor hat­te ich mit­tags und abends nur hei­ßes Was­ser ge­habt, und auch zum Früh­stück. Ob­wohl ich ein gu­tes Ge­fühl im Ma­gen hat­te, war ich schwach auf den Bei­nen.
    Die mor­gend­li­chen Vi­bra­tio­nen sind stets in Ord­nung. Die Leu­te ge­hen an ei­nem vor­bei und strah­len gu­te Lau­ne aus. Ich mach­te mir die­ses Ge­fühl zu ei­gen, bis ich plötz­lich zu der An­sicht kam, der Snack-Au­to­mat müs­se mir et­was gra­tis ge­ben – aus rei­ner Freund­lich­keit.
    Ich schob mei­ne Kre­dit­kar­te in den Schlitz und drück­te die Knöp­fe, um mir ei­ne Tas­se Kaf­fee mit zwei Sprit­zern Milch, zwei Stück­chen Zu­cker und ei­ne Por­ti­on Rührei zu zie­hen. Mei­ne Hän­de fin­gen an zu zit­tern. Das Was­ser lief mir im Mund zu­sam­men. Aus den Fens­tern der um­lie­gen­den Häu­ser nahm ich den Duft von Speck, ge­rös­te­tem Plank­ton und But­ter auf heißem Toast wahr.
    Der Au­to­mat ließ ein ro­tes Licht auf­leuch­ten: „Kon­to nicht ge­deckt“. Dann spuck­te der Schlitz mei­ne Kre­dit­kar­te wie­der aus. Ich nahm sie und ließ sie fal­len.
    Der Mann, der sei­nen Kaf­fee trank, sah auf mei­ne zit­tern­den Hän­de und mus­ter­te mein Ge­sicht. Aber Hun­ger sieht man nicht von au­ßen. Ich hat­te schon hun­dert Pfund ver­lo­ren und war im­mer noch nicht ma­ger. Und er konn­te auch mei­ne Vi­bra­tio­nen nicht er­tas­ten. Mein Ge­sicht ist rund und strahlt gu­te Lau­ne aus. Wie das ei­nes Kin­des, aber ich bin er­wach­sen.
    Ich hob die Kar­te wie­der auf und grins­te ihn an. Er grins­te zu­rück.
    „Wohl ’ne hei­ße Nacht ge­habt?“ frag­te er freund­lich. Ob er da­mit mein­te, ich sei mit ei­nem Mäd­chen zu­sam­men ge­we­sen?
    Ich hob zu­stim­mend zwei Fin­ger, und er ging grin­send wei­ter. Sei­ne Vi­bra­tio­nen sag­ten mir, daß er sich an ein paar tol­le Näch­te er­in­ner­te, nach de­nen auch ihm des Mor­gens die Knie ge­zit­tert hat­ten.
    Bei den nächs­ten drei Blocks ver­such­te ich mein Glück an zwei wei­te­ren Snack-Au­to­ma­ten, aber es gab nichts zu es­sen.
    Die bes­ten Nah­rungs­au­to­ma­ten von New York sind in der Künst­ler- und Bild­hau­er-Kom­mu­ne. Künst­ler ha­ben näm­lich kei­ne Lust zum Ko­chen, wenn sie ge­ra­de an et­was ar­bei­ten. Als ich zum Ar­beitsamt ging, kam ich dar­an vor­bei. Ich ging durch ei­ne große, säu­len­be­wehr­te Ar­ka­de und einen Park, der den un­te­ren Teil des halb­kreis­för­mi­gen Ge­bäu­des ein­nahm. Über­all wa­ren klei­ne Vor­gär­ten auf den Ter­ras­sen, die wie Bal­kons oder Vor­sprün­ge aus­sa­hen. Ich hör­te das Schnur­ren ei­nes Stein­mes­sers und ir­gend­wo ein Häm­mern. Wenn sie sich un­ter den Bäu­men auf­hiel­ten, konn­te man die Künst­ler sel­ten se­hen.
    Ich fand die­se Ma­schi­ne, die auf chi­ne­si­sches Es­sen spe­zia­li­siert ist, und pro­bier­te mei­ne Kre­dit­kar­te an ihr aus. Ich drück­te ein Ei „Foo Yong“ und sah mir die hüb­schen Es­sens­bil­der an. Der Au­to­mat hielt mei­ne Kar­te ei­ne Wei­le fest, dann stieß er sie wie­der durch einen an­de­ren Schlitz aus. Das ro­te Lämp­chen leuch­te­te nur ein­mal auf. Der Au­to­mat war zwar freund­li­cher als die an­de­ren, aber so freund­lich, daß er mir ein Es­sen spen­dier­te, war er nun auch wie­der nicht.
    „Hal­lo, Ge­or­ge“, rief ei­ner der Bild­hau­er und hielt mit sei­ner Tä­tig­keit in­ne. Er hielt Ham­mer und Mei­ßel in der Hand und hat­te ge­ra­de ei­ne Sta­tue be­ar­bei­tet. Der Bild­hau­er lach­te je­des­mal über einen Witz, den es zwi­schen uns gab; meist be­vor er ihn über­haupt aus­ge­spro­chen hat­te.
    „Wie fin­dest du mich, Ge­or­ge?“ frag­te er.
    Sein Ge­sicht war von der Ar­beit ge­rötet, denn es mach­te ihm Spaß, Skulp­tu­ren in der

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