Todesakt: Thriller (German Edition)
1
Sie nahm den Geruch wahr, als sie das Kissen näher zu sich heranzog. In den Laken, als sie sich in der Dunkelheit herumrollte und vergebens nach einer kühlen Stelle tastete.
Mordsaison.
Sie schwebte und ließ sich treiben. Trudelte in einem schwammigen Zwischenraum zwischen Schlaf und Bewusstsein.
Sie warf einen Blick auf den Radiowecker, konnte aber nicht wirklich etwas erkennen, sank wieder zurück in den Sog und wurde weitergetragen. Es war bereits nach Mitternacht, irgendwann vor Morgengrauen. Obwohl es erst Frühling war, war die Luft im Haus stickig von der drückenden Hitze. Vor zwei Tagen war eine übermächtige, alles erstickende Hitzewelle aus der Wüste über Los Angeles hereingebrochen und hatte die Meeresluft und die kühle Brise unwiederbringlich auf den Ozean hinausgetrieben, wo sie auf Nimmerwiedersehen verschwanden.
Die in ihrem Kielwasser zurückbleibende Stadt war so staubig und beklemmend wie das Innere einer Konservendose. Vakuumverpackt, die Luft von Benzin- und Dieselabgasen geschwängert.
Die Mordsaison fing in diesem Jahr früher als gewöhnlich an und walzte zusammen mit der Hitzewelle heran, als seien sie die besten Freunde. Bettgefährten.
Vorsichtig tastete sie nach einem warmen Körper, aber die andere Bettseite war leer. Es blieben ihr nur ihre Träume. Ein Lächeln stieg langsam in ihrem Körper auf. Es war das Lächeln, das ihre Träume begleitete. Sie spürte es in ihrer Brust und zwischen ihren Beinen und auch, wie es sich auf ihrem Gesicht ausbreitete, bis ihre Haut brannte und es sich in die Luft erhob und auflöste.
Sie hatte den Abend auf der Terrasse verbracht und mit Stan Rhodes und Tito Sanchez eiskaltes irisches Bier getrunken. Sanchez hatte ein Hüftsteak mitgebracht, das Fleisch mariniert und den Grill mit Mesquite-Holz angefacht, wie seine Großmutter es ihm beigebracht hatte. Nach dem Essen saßen sie auf der Steinmauer und blickten den Hügel hinunter, wo sich die Lichter der Stadt im Staub fingen und sich, strahlend wie beleuchtete Wattebäusche, vom Zentrum über die Bucht bis auf den Pazifik hinaus erstreckten. Sie hatten gelacht, sich in der gespenstischen Dämmerung Geschichten erzählt, weitere Flaschen geöffnet und gefachsimpelt. Rhodes und Sanchez ermittelten gerade in einem neuen Mordfall und hatten eine Achtundvierzig-Stunden-Schicht hinter sich. Beide Detectives brauchten Abstand und eine Mütze voll Schlaf. Lena hingegen hatte am nächsten Tag frei und konnte es sich leisten, auszuspannen und sich vielleicht sogar einen kleinen Schwips anzutrinken. Nachdem ihre Kollegen gegen zehn gegangen waren, hatte sie die letzte Bierflasche geöffnet, sich ausgezogen und war in den Pool gestiegen.
Mordsaison. Der Ärger war vorprogrammiert. Wenn es heiß wurde in den Straßen, kochten auch die Gemüter hoch.
Lena drehte sich auf den Rücken, während ihr Verstand im Zickzackkurs aus der Benommenheit auftauchte. Irgendwo im Haus war ein Geräusch zu hören – in der Tiefe ihres Bewusstseins. Es hallte durch die Stille. Lena versuchte so zu tun, als bilde sie sich das alles nur ein, bis sie sich nach einer Weile fragte, ob der Radau, der sie aus dem Schlaf riss, nicht nur Teil ihres Traums war.
Im nächsten Moment wurde ihr schlagartig klar, dass ihr Mobiltelefon läutete.
Als sie die Augen aufriss, stellte sie fest, dass das Display leuchtete. Sie griff nach dem Telefon, erkannte den Anrufer und entsperrte den Touchscreen. Es war ihr Vorgesetzter, Lieutenant Frank Barrera von der Mordkommission. Was er um diese Zeit von ihr wollte, konnte sie sich schon denken. Sie warf einen Blick auf die Uhr: 2:54.
Die Mordsaison näherte sich unaufhaltsam.
»Alles in Ordnung, Lena?«, fragte er. »Mir ist klar, dass heute Ihr freier Tag ist. Ist alles okay bei Ihnen?«
»Alles bestens. Was ist los? Was ist denn das im Hintergrund für ein Krach?«
Sie drehte sich um und schaute aus dem Fenster – sie hörte von draußen und durchs Telefon Sirenen. Sie kombinierte: Barrera war ganz in der Nähe, offenbar sogar in ihrem Viertel. Wenn sie den Hals reckte und den Hügel hinunterspähte, glaubte sie, blinkende Lichter auszumachen. Irgendwo westlich des Capitol Records Building tat sich etwas.
»Wir stecken ordentlich in der Scheiße, Lena. So richtig bis über beide Ohren.«
Seine Stimme erstarb. Barrera, sonst die Gelassenheit in Person, klang richtiggehend verängstigt.
»Was soll ich tun?«, fragte sie.
»Wir haben zwei Tote in Hollywood. Mehr kann ich am
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