Das Jahr des Hasen
Hasen auf den Arm. Er streichelte sein reines weißes Fell und versprach: »Morgen früh nehme ich meine Skier und jage ihn, er muß getötet werden.«
Die zarten, weißen Barthaare des Hasen zitterten energisch, es sah aus, als wäre er derselben Meinung: Töten. Ein Hase dürstet nach Bärenblut!
22. KAPITEL
Das Weiße Meer
Der Mond ging unter. Vatanen packte für mehrere Tage Proviant in den Rucksack, stopfte zwanzig Patronen in die Außentasche und füllte das Magazin des Gewehrs. Er schliff die Axt, nahm außerdem fünf Schachteln Zigaretten, Streichhölzer und Skiwachs mit. Zum Hasen sagte er: »Du kommst dann wohl mit.«
Vatanen hinterließ einen Zettel auf dem Tisch mit der Nachricht: »Bin hinter einem Bären her, kann ein paar Tage dauern. Vatanen.«
Er schloß die Tür der Hütte hinter sich, wachste die Skier, warf sich den Rucksack und das Gewehr über und machte sich auf den Weg. Die Umgebung der Hütte war voller Bärenspuren, doch etwas weiter entfernt erkannte Vatanen im Dämmerlicht frische Fluchtspu ren. Er folgte ihnen, der Schnee war noch ziemlich fest.
»Jetzt wollen wir mal sehen, du verfluchter Bär!« Die Spuren führten durch die Schlucht. Vatanen lief
schnell und gleichmäßig, sein Rücken schwitzte unter dem schlenkernden Rucksack. Der Hase hinkte hinter-her.
Die Märzsonne ging am hellen Himmel auf, die Luft war schneidend scharf, der Schnee knirschte, wenn die Skistöcke ihre Löcher bohrten. Die Wegverhältnisse waren ausgezeichnet. Der Mann genoß die Fahrt im glitzernden Schnee, der in der aufgehenden Sonne gleiß te, daß die Augen schmerzten.
An den Spuren war zu erkennen, daß sich der Bär be ruhigt hatte und sich sicher fühlte. Vatanen fuhr jetzt schneller, er hatte gute Chancen, seine Beute zu be kommen.
Am Nachmittag erreichte er ein dichtes Fichtengehölz und sah, daß der Bär darin gelegen hatte. Aber er hatte den Skiläufer wohl kommen hören und sich rechtzeitig davongemacht. Vatanen mußte nun immer weiter lau fen, es konnten Tage vergehen, bis er den Bären erlegt hätte, wenn überhaupt. Glücklicherweise sank der Bär tiefer in den Schnee ein als der Mann auf den Skiern.
Vatanen erreichte ein großes Moorgebiet, die Spuren führten nach Süden. Fern am Horizont entdeckte er sein Verfolgungsobjekt: Der Bär verschwand als kleiner schwarzer Punkt im verschneiten Wald. Dieser Anblick ließ Vatanen erbeben, er flog fast über das Moor hinweg.
Die Sonne ging unter, im dichten Wald waren die Spuren nicht zu erkennen. Vatanen mußte anhalten und essen. Er fällte eine große, abgestorbene Föhre, machte aus ihrem Wipfel ein Feuer, briet Rentierfleisch, trank Tee und schlief ein paar Stunden. Als er erwachte, war der Mond aufgegangen und der Himmel klar, die Spuren ließen sich wieder verfolgen.
Die schimmernde Nacht in den verschneiten Wäldern war von wilder Schönheit. Die Jagd setzte den Skiläufer in Erregung, er verspürte keine Müdigkeit. Der Schweiß gefror ihm am Rücken, der Frost verschärfte sich, die Augenwimpern wurden zu Eisklumpen, und er mußte sie immer wieder mit der bloßen Hand auftauen.
Der Hase holte sich ab und zu von den Weidenbü schen an Flußläufen sein Futter. »Bleib nicht zurück«, redete Vatanen ihm zu. »Zum Fressen ist jetzt keine Zeit.«
Der Bär hatte sich zweimal ausgeruht und mußte ei gentlich wieder müde sein. Doch immer wieder hörte er den herannahenden Skiläufer in der klaren Nacht und floh rechtzeitig. Jetzt rannte er nach Südosten. Schon am Tag hatte die Jagd die Landstraße von Tanhua über
quert, jetzt näherten sie sich dem großen Waldgebiet im Nordosten. In dieser Nacht überquerten sie zahlreiche Flußläufe, an einer offenen Stelle hatte der Bär von dem eiskalten Wasser getrunken. Vatanen machte um die Stelle einen Bogen. Ein Sturz in das schwarze Eiswasser hätte den sicheren Tod bedeutet.
Der Mond ging unter, es wurde dunkler, Vatanen mußte wieder anhalten und ein Feuer anzünden. Er schlief in der Wärme ein; der Hase fraß ein wenig, dann schlief auch er.
Als die Sonne aufging, lief Vatanen weiter. Er vermu tete, daß er sich bereits in der Gegend um Savukoski befand, irgendwo westlich von Martti. Bald mußte eine Landstraße kommen, der Bär schien ins Kirchdorf Sa
vukoski zu laufen. Und da war auch schon die Straße. Der Bär hatte sie auf halber Strecke zwischen beiden
Dörfern überquert. Die von den Schneepflügen aufge worfenen Wälle hatten ihn so geärgert, daß
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